Natürlich war sie unvergleichlich schön. Doch tatsächlich waren es nicht die Ebenmässigkeit ihrer Züge oder die androgyne Makellosigkeit ihrer Erscheinung, die gleichermassen Männer und Frauen um den Verstand brachte. Das gewisse Etwas der Françoise Hardy lag in der Gleichzeitigkeit von kühler Distanz, entwaffnender Offenheit und einem zarten Schleier aus Melancholie und Verheissung. Das Herz dieser ungewöhnlichen Frau war im Gesang zu entdecken. Da war dieses Vibrato, kaum wahrnehmbar bei einer Stimme, die ja niemals theatralisch auftrumpfte, sondern scheinbar gleichmütig beobachtend über «Tous les garçons et les filles» und«Le temps de l’amour» oder, auf ihrem letzten Album, über «Un mal qui fait du bien» räsonierte.
Ihre Distanziertheit war jedoch nicht mit Ungerührtheit zu verwechseln, im Gegenteil – Françoise Hardy sang vom Endgültigen, vom Unwiderruflichen. Unbeirrbar, aber mit einer verwirrenden Leichtigkeit. In einem Interview, das sie 2018 anlässlich der Veröffentlichung von «Personne d’autre» (es sollte ihre letzte Platte sein) gab, erklärte sie beinahe achselzuckend: «Ich singe über den Tod auf eine sehr symbolische und sogar positive Weise.» Ein Test gibt Aufschluss: Schaut man sich frühe Videos von Hardy an, zum Beispiel «Mon amie la rose» von 1965, erlebt man eine unbeschwerte junge Frau, die mit der grössten Selbstverständlichkeit ein harmloses Chanson singt. Schliesst man die Augen, ist da unverkennbar dieser elegante Schleier der Melancholie.
Aufgewachsen ist Françoise Hardy in Paris, in erstarrten Familienverhältnissen – der Vater hatte sich in sich selbst zurückgezogen, die Mutter arbeitete und liess sie zunächst von einer übellaunigen, strenggläubigen Grossmutter und schliesslich in einer Klosterschule erziehen. Zur Musik kam sie, als der Vater ihr auf Druck der Mutter eine Gitarre schenkte. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Gesangswettbewerben nahm sie ihre erste Platte auf: Es war ihre Eigenkomposition «Tous les garçons et les filles», die sofort zum Hit wurde und sich millionenfach verkaufte. Der Rest ist Tabloid: Brian Jones war verknallt in sie, Bob Dylan verliebte sich heimlich und unsterblich, schrieb sogar Gedichte über sie, für Mick Jagger war sie die ideale Frau, Jean-Luc Godard besetzte sie, Iggy Pop, Alain Delon und auch Blur sangen mit ihr – die Hardy überragte alle Mitbewerberinnen der französischen yéyé-Welle. Sie war einfach anders.
Vor sechs Jahren wurde ein Tumor im Ohr diagnostiziert, wenig später Lymphdrüsenkrebs. Ihr letzter Kampf richtete sich gegen den französischen Staat, der Suizidbeihilfe noch immer untersagt. Françoise Hardy starb am 11. Juni. Sie hinterlässt ihren Ehemann, den Sänger und Schauspieler Jacques Dutronc, und den gemeinsamen Sohn, den Gitarristen und Songwriter Thomas Dutronc.
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