In den letzten Tagen besprach ich mit Bekannten, Freunden und Familie die Rede Präsident Putins von letzter Woche.
Die Russen fanden die Rede gut. Wie immer habe der Präsident ruhig, konzis und logisch gesprochen. Das Gesagte ergibt Sinn. Die Menschen stehen hinter ihm.
Begeisterung für diesen Krieg ist nicht zu spüren. Begeistert sind die Russen an Sportanlässen und Festen, sicher nicht bei Krieg. Die martialischen Kriegsgurgeln im Westen befremden – die sind ja weit weg vom Schuss. Es herrscht auch keine Freude an den vielen toten Ukrainern – im Gegenteil.
Der Anschluss der vier Regionen – besonders die klare Annahme der Referenden – wird begrüsst. Dass sich der Konflikt durch die Teilmobilmachung und den Anschluss ändern wird, ist allen klar.
Die meisten, die den Marschbefehl erhalten werden, sind Familienväter. Keiner hat Freude, eingezogen zu werden.
Die Kommunikation des Verteidigungsministeriums wird kritisiert, und erst allmählich wird den Leuten klar, dass Truppen aus dem stehenden Heer an die Front rotiert werden. Die frisch Eingezogenen werden ihre Plätze einnehmen – also nicht an die Front geschickt. Keiner wird begeistert gehen.
Über jene, welche sich jetzt aus dem Staub machen, herrscht keine Einigkeit. Einige, eher die Jüngeren, haben Verständnis. Die Älteren nennen Deserteure Weicheier, nicht Verräter. Von fehlendem Patriotismus und Illoyalität ist die Rede.
Die Russen wollen Frieden, verstehen jedoch, dass man sich wehren muss – jetzt geht es um Russland. Der Westen steht immer mehr demaskiert da: Die wollen uns zerstören – warum?
Jene, welche die westlichen Medien verfolgen, waren einigermassen überrascht über die westliche Berichterstattung der Putin-Rede: War die Übersetzung falsch? Über was für eine Rede berichteten die westlichen Medien?
Den Versuch des Westens, die Sprengungen von Nord Stream 1 und 2 den Russen in die Schuhe zu schieben, erachten die Russen als grotesk. Jene, die davon profitieren, waren es: Die Täter rammen den Deutschen das Messer in den Rücken. Der Westen ist somit uneinig, und die andauernde Propaganda gegen Russland lässt manchen Russen denken, dass diese nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.
Die Alten verweisen auf den Winter 1941 – der kälteste Winter in 150 Jahren. Die Deutschen standen vor Moskau. In jenem Winter starben mehr Deutsche an Erfrierungen als auf dem Schlachtfeld. Der Winter gehört den Russen. Die westlichen Waffen, mit denen die Ukrainer jetzt kämpfen, sind nicht auf Winter ausgelegt.
Die Russen sind – wie immer – skeptisch. Dass der Westen siegt, wird jedoch ausgeschlossen. Zu welchem Preis wird der Frieden zu haben sein?
Peter Hänseler ist Rechtsanwalt und Unternehmer. Er lebt in Moskau.
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