Das Bild, das grosse Teile der Medien bisher über den Eklat im Weissen Haus gezeichnet haben, ist ein stark verkürztes.
US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Herrscher Wolodymyr Selenskyj führten nämlich anfänglich gänzlich harmonische Gespräche.
Nichts deutete auf einen Eklat hin. Nichts auf eine rhetorische Schlammschlacht, die inzwischen die europäischen Hauptstädte zittern lässt.
Rund 40 Minuten lang ist die Diskussion weitgehend reibungslos abgelaufen. «Die Begrüssung von Trump und Selenskyj war herzlich», kommentiert Jennifer Jacobs von CBS News.
Es wurden Witze gerissen. Mehr noch: Selenskyj und der neue starke Mann in Washington standen unmittelbar vor der Ziellinie. Ein Deal soll schon fast ins Trockene gebracht worden sein, berichten inzwischen mehrere US-Medien.
Mit diesem forderte Trump ukrainische Rohstoffe (insbesondere seltene Erden) im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar als Ausgleich für die Militärhilfe an Kiew.
Trump kündigte im Gespräch an, auch in Zukunft weiterhin militärische Unterstützung zu leisten. Gleichzeitig will der US-Präsident aber den Krieg beenden und mit Russland über einen Waffenstillstand verhandeln.
An diesem Punkt drängten die Meinungsdifferenzen schonungslos an die Oberfläche. Denn Selenskyj, der zuletzt Bereitschaft für Verhandlungen zeigte, ist dafür offenbar noch immer nicht bereit.
Es sei eine Tragödie, dass auf beiden Seiten so viele Menschen sterben, sagte Trump. Selenskyj widersprach. Der ukrainische Präsident betonte, dass die Russen Invasoren seien und äusserte Einwände gegen eine Friedenslösung, Putin foutiere sich um einen Waffenstillstand.
Diese Aussagen wiederholte Selenskyj auch gegenüber US-Vize-Präsident JD Vance, den der ukrainische Präsident mit scharfen Fragen regelrecht verhörte. Die Botschaft des ukrainischen Präsidenten war klar: Verhandlungen seien sinnlos.
Hier begann die eigentliche Schlacht, die inzwischen die ganze Welt gesehen hat. «Glauben Sie, dass es respektvoll ist, ins Oval Office zu kommen und die Regierung anzugreifen, die versucht, die Zerstörung Ihres Landes zu verhindern», polterte Vance nach den Angriffen des ukrainischen Präsidenten.
Selenskyj warf Washington vor, zu wenig für die Ukraine zu tun.
Für den ukrainischen Staatschef, der zuletzt massiv an Rückhalt in seinem Land verloren hat, wird es nun richtig eng. So der US-Senator Lindsey Graham, der in der Vergangenheit zu den grössten Unterstützern des ukrainischen Präsidenten zählte: «Ich weiss nicht, ob wir jemals wieder mit Selenskyj Geschäfte machen können», sagte er.
Das Verhalten des Herrschers in Kiew sei «respektlos» gewesen. «Die Art und Weise, wie er den Präsidenten konfrontiert hat, war einfach zu viel des Guten.»
Trump hat inzwischen auf Truth Social nachgedoppelt. Selenskyj habe die USA «nicht respektiert». «Er (Selenskyj) kann zurückkommen, wenn er für den Frieden bereit ist.»
Der ukrainische Präsident dürfte mittlerweile auch gemerkt haben, dass er einen kolossalen Fehler begangen hat. Heute schrieb er auf X: «Die Hilfe der USA hat entscheidend zu unserem Überleben beigetragen.» Und fügte hinzu, dass Washington ein zentraler strategischer Partner bleibe.
Wie lange noch?
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