Dieser Tage sah sich die Kanzlerkandidatin der rechten deutschen Oppositionspartei AfD, Alice Weidel, in einer Talkshow mit der Frage konfrontiert, was sie anlässlich des Auschwitz-Gedenkens aus dem Holocaust gelernt habe.
Die Frage war verfänglich gemeint. Die Moderatorin, Caren Miosga, schien wenig interessiert an einer ergebnisoffenen Diskussion über das Geschichtsbild der Politikerin. Sie suchte, das war der Eindruck, nach Munition für bekannte Vorwürfe.
Manche dürften sich gefragt haben, was sie der Moderatorin gesagt hätten, die es sichtlich genoss, über Weidel zu Gericht zu sitzen, verbündet mit einem an den richtigen Stellen wie auf Knopfdruck klatschenden Publikum.
«Was haben Sie aus dem Holocaust gelernt?» Vielleicht hätte man als Schweizer Folgendes gesagt.
Erstens: Niemals darf man dem Staat zu viel Macht geben. Je mehr Macht ein Staat hat, desto grösser sind Risiko und Ausmass des Missbrauchs. Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.
Schon gar nicht darf man einer Regierung unbeschränkte Machtvollkommenheiten übertragen. Das kann, wie der deutsche Fall zeigt, die Hölle von Weltkrieg und Völkermord heraufbeschwören.
Daraus folgt: Misstrauen gegenüber dem Staat, Misstrauen gegenüber der Macht ist oberste Bürgerpflicht. Man darf dem Staat nicht mehr Macht geben, als er unbedingt braucht, und keinesfalls so viel, dass sich die Macht gegen mich als Bürger richten kann.
Zweitens: Man muss Demokratie und Freiheit immer verteidigen. Diktatoren treten nicht an, um Krieg und Elend zu verkünden. Sie geben sich als Wohltäter, als Gutmenschen, im Bunde mit der Geschichte, mit der Moral, mit dem Schicksal, mit was auch immer.
Freiheit und Demokratie: Eine möglichst -direkte Demokratie ist, jedenfalls in der Schweiz, ein verlässlicher Garant dafür, dass sich der Staat nicht gegen die Freiheitsrechte seiner Bürger richten kann; statt Fremdbestimmung Selbstregierung.
Drittens: Der Holocaust ist singulär, er ist einzigartig. Man darf ihn also nicht auf die gleiche Stufe mit anderen, auch schlimmsten Verbrechen stellen. Man darf ihn nicht benutzen, zweckentfremden, relativieren, verkleinern, verharmlosen.
Darum ist es auch verboten, den Holocaust für tagespolitische Zwecke, zur Verketzerung von Andersdenkenden und politischen Gegnern zu missbrauchen, wie es in ihrer Sendung Caren Miosga versucht hat mit Alice Weidel und der AfD.
Möglicherweise hätte man aber auch sagen können: Aus dem Holocaust haben wir gelernt, dass man eigentlich gar nichts gelernt hat. Zum Beispiel:
Unter einer rot-grünen Regierung rast in Berlin ein arabischer Mob durch die Strassen und grölt: «Tod den Juden!». An Berliner Universitäten stürmen Studenten die Rektorate und fordern eine «Endlösung», ein «judenfreies» Palästina, «from the river to the sea!»
Sollte sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Deutschland retten wollen, würden ihn Nancy Faeser und Annalena Baerbock nicht mit «Refugees welcome!»-Plakaten, sondern mit Handschellen begrüssen, um ihn ans Den Haager Gericht zu deportieren.
Vielleicht aber haben wir aus dem Holocaust auch gelernt, dass die Moderatoren des öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehens am allerwenigsten aus dem Holocaust gelernt haben. Darum hier noch diese Kurzauskunft:
Der «Holocaust» waren nicht allein die Gaskammern von Auschwitz, Belzec, Treblinka. Das hat man so erzählt, um die Schuld auf ein paar Dutzend KZ-Bestien zu schieben, denn Hitler war schon tot.
Der Holocaust hat eine längere, viel beunruhigendere Geschichte. Sie begann mit der Entrechtung eines «Volksfeinds». Den haben die damaligen Medien im Verein mit Behörden und Gerichtshöfen dazu ernannt.
Dann wurden Ladenfenster eingeworfen, Lokale gestürmt, Gebäude abgefackelt, sogar Gotteshäuser, Juden aus dem Geschäfts- und Gesellschaftsleben «eliminiert» und als «Schänder» mit Schildern um den Hals durch die Strassen gejagt.
Sie durften bald auf keiner Parkbank mehr sitzen und keinen Kanarienvogel mehr halten. Als ihnen restlos alles genommen war, wurde ihnen das Leben genommen. Dazu schwiegen die Journalisten befehlsgemäss. Sie hatten ihren Beitrag schon geleistet.
Der Holocaust begann mit der Suche nach dem Sündenbock, nach dem «Feind» von Volk, Verfassung und Staat, mit dessen Entfernung aus der «Mitte der Gesellschaft». Auf die Ausgrenzung folgte die Entrechtung, darauf die Enteignung, am Ende die Ermordung.
Was haben wir aus dem Holocaust gelernt? Vielleicht auch dies, dass diejenigen, die sich in den Talkshows als dessen Gralshüter und als Apostel der Erinnerung aufspielen, ganz anderes im Sinn haben, als des fürchterlichen Verbrechens zu gedenken
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