Russland teilt sich eine 198 Kilometer lange Landgrenze mit Nordnorwegen. Anders als in Polen, den baltischen Staaten und Finnland können Besucher bis zur eigentlichen Grenzlinie spazieren. Es sind zwar Warntafeln aufgestellt, jedoch keine baulichen Hindernisse vorhanden, die illegale Grenzübertritte von norwegischer Seite verhindern. Den offiziellen Grenzübergang Storskog nahe Kirkenes, hinüber nach Russland und Murmansk, haben die Norweger einseitig geschlossen.
Am 14. Juni aber überkam einen italienischen Touristen das unstillbare Verlangen, den kleinen Grenzfluss Jakobselva zu überqueren, um für eine kurze Zeit doch noch auf Mütterchen Russlands Erde zu gelangen. Dabei wurde ihm auf der russischen Seite kein Härchen gekrümmt. Der Grenzverletzer wurde von den Russen weder verhaftet noch muss er nach Sibirien, um Bäume zu fällen.
Als der Tourist bald wieder auf norwegisches Territorium zurückkehrte, wurde er von der norwegischen Grenzpolizei empfangen und musste zur Bestrafung eine Busse von 12.000 Kronen (1000 Euro) bezahlen. Denn in Kirkenes, direkt an der russischen Grenze, möchte man den russischen Bären nicht unnötig reizen.
Die norwegische Bevölkerung hätte Grund zur Nervosität. Das Land lässt sich von den USA militärisch immer stärker instrumentalisieren. Der vor dem Amtsende stehende Jens Stoltenberg fordert als Nato-Generalsekretär immer aggressiver ein direktes Eingreifen von Nato-Truppen in den Ukraine-Krieg. Fast unbemerkt sendet Norwegen umfangreiche Waffenlieferungen an die Ukraine. Gemäss Seymour Hersh hat Norwegen den USA zudem bei der Zerstörung von Nord Stream logistische Unterstützung gewährt.
Im Juni ist Norwegen noch einen weiteren Schritt in die Eskalation gegen Russland gegangen. Die seit dem Zweiten Weltkrieg geltende Regelung, welche die Präsenz grösserer Nato-Verbände einzig während Manövern zulässt, ist über Bord geworfen worden. Die Streitkräfte der USA und Militär aus weiteren Ländern der Nato dürfen seit dem 10. Juni 2024 acht weitere Gebiete in Norwegen für ständige militärische Zwecke nutzen und sind neuerdings damit über das gesamte Land verteilt.
Grundlage bildet eine Änderungsvereinbarung des Kooperationsabkommens im Bereich Verteidigung zwischen Norwegen und den USA (Supplementary Defense Cooperation Agreement), die im Februar dieses Jahres unterzeichnet worden und jetzt in Kraft getreten ist. Bisher hatten die US-Streitkräfte in Norwegen für lediglich vier Einrichtungen und Gebiete die Erlaubnis.
Bei den neuen Gebieten handelt es sich um die Flugplätze Andøya und Ørland, den Marinestützpunkt Haakonsvern bei Bergen, den Flugplatz und die Garnison Værnes, den Flugplatz Bardufoss, die Garnison Setermoen mit Schiess- und Übungsplätzen, die Berganlage Osmarka und die Treibstoffanlage Namsen. Die Militärflugplätze Rygge, Evenes, Ramsund und Sola standen den USA schon bisher zur Verfügung.
Die Vereinigten Staaten erhalten nach Angaben der norwegischen Regierung exklusive Rechte, diese Gebiete zu nutzen und militärische Infrastruktur aufzubauen. Mit diesem Freipass für die USA verliert das norwegische Königreich noch mehr an Autonomie und eigener Kontrolle.
Im Jahr 2023 unterzeichneten bereits Schweden, Dänemark und Finnland eigene Abkommen zur Verteidigungskooperation mit den USA. Die Abkommen sehen die Schaffung von siebzehn Gebieten in Schweden, fünfzehn in Finnland und drei in Dänemark vor, welche die USA militärisch nutzen dürfen. Die Keflavík Air Base auf Island besteht seit den 1940er Jahren.
Während die grosse Aufmerksamkeit auf Mittel- und Osteuropa gerichtet ist, machen die USA die nordischen Länder zu ihrer militärischen home base. Die einst weltweit angesehene skandinavische Tradition für Frieden und Verständigung, prominent vertreten durch den ermordeten Olof Palme, gehört der Vergangenheit an. Heute beteiligen sich die nordischen Länder an der militärischen Einkreisungspolitik der USA gegen Russland.
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