Der Tages-Anzeiger schlägt Alarm. In keiner anderen Berufsgruppe seien Suizide so verbreitet wie unter Tierärzten. Zu diesem Schluss kam schon 2019 eine Studie im Journal of the American Veterinary Medical Association. Mehrere Untersuchungen in anderen Ländern haben diese Erkenntnis inzwischen bestätigt. Der Schweizer Dachverband der Veterinäre hat inzwischen ein Nottelefon eingerichtet.
Der Tages-Anzeiger geht den Gründen über die erstaunlichen wissenschaftlichen Suizid-Befunde in einem Beruf nach, den manche Veterinäre als «den schönsten der Welt» bezeichnen. Das Blatt begleitete eine Tierärztin im Kanton Schaffhausen, die selber auch schon mehrere Kollegen durch Suizid verloren hat.
Als Gründe wird über Lohn und Prestige, Einzelkämpfertum, unzufriedene Kunden, mangelnde Abgrenzung, Tag-und-Nacht-Einsatz, Entscheidung über Leben und Tod der Tiere und Weiteres spekuliert. Der eigentliche Grund für die hohe Selbstmordrate unter Tierärzten ist aber wohl ein anderer.
Für den begleiteten Suizid, etwa der Organisationen Exit oder Dignitas, ist ein tödliches Gift das Mittel der Wahl. Erschiessen, Pulsaderschnitt, Erhängen, Stürze vor den Zug oder von Brücken, Felsen und Gebäuden sind unsicher und unästhetisch, vor allem ziehen sie Mitmenschen ins Elend hinein. Darum besteht das Mittel der Wahl für die begleitete Sterbehilfe in der oralen oder intravenösen Verabreichung des Barbiturats Pentobarbital.
Dieses Mittel ist in genügender Menge für Menschen ebenso wie für grosse und kleine Tiere tödlich. Jeder Tierarzt verwendet es zum sicheren und schmerzlosen «Einschläfern», wie der verharmlosende Umgangsbegriff für die Tötung lautet. Während gewöhnliche Menschen so gut wie unmöglich an Pentobarbital herankommen (es sei denn via Sterbehilfe-Organisation), steht es den Veterinären jederzeit problemlos zur Verfügung.
Dies führt uns zur erschreckenden Tatsache, dass die allgemeine Suizidrate erheblich höher wäre, wenn sich die übrige Menschheit ebenso problemlos mit dem zuverlässig tötenden Gift ausstatten könnte wie die Tierärzte. Es ist indessen für «Normalbürger» nahezu unmöglich, an die streng verschreibungspflichtigen Mittel zu kommen. Und dies ist zum Schutz der Menschheit vor unüberlegten Handlungen sicher auch sinnvoll.
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