Ich habe im Tages-Anzeiger online eine entsetzliche Geschichte gelesen.
Unter dem Titel «Ich wünschte mir, ich hätte dieses Video nie gesehen» geben eine Jacqueline Büchi und ein Martin Fischer ihren Lesern Ratschläge, wie sie mit den Schilderungen der Wirklichkeit aus dem Israel-Hamas-Konflikt umgehen sollen, um nicht selber Opfer der schlechten Nachrichten zu werden.
Selten hat eine Geschichte den Nagel so auf den Kopf getroffen. Selten hat eine Story so gnadenlos entlarvt, wie weit der heutige Journalismus sich von seinem ursprünglichen Zweck entfernt hat, wie arrogant, wie dumm, wie manipulativ und verlogen die heutigen Journalisten geworden sind, die im Zeichen der politischen Korrektheit und in ihrer panischen Angst, auf keinen Fall Hass und Hetze zu verbreiten, anscheinend selber nicht mehr wissen, wie die Wirklichkeit aussieht.
Die Ratschläge an die von der Realität erschlagenen und traumatisierten Leser der beiden Journis und natürlich von einem «Medien-Psychologen» noch in die Irre geführten Schreiberling-Lehrling sind dann auch ganz einfach – weniger bis kein News-Konsum mehr, im Zweifelsfall geht es bis zur totalen Abstinenz von Nachrichten, um selber psychisch keinen Schaden erleiden zu müssen.
Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, warum die heutigen letzten Medien-Konsumenten so von der Wirklichkeit gemeuchelt werden, denn es ist ja nichts anderes als die Realität, von der sie lesen, hören, sehen, wenn von geköpften Babys, vergewaltigten Frauen und lebend verbrannten Opfern der Terroristen berichtet wird.
Natürlich sind die Menschen schockiert. Plötzlich sind Blut und der Gestank von abgrundtiefer Bösartigkeit zwischen den Worten. Und nicht mehr die heuchelnde politische Korrektheit, plötzlich wird klar, dass es von absoluter Gleichgültigkeit ist, ob es nun der oder die Leiche ist, die geschändet wurde.
Der heutige Schmink-Journalismus, der die Sprache und die Wirklichkeit in die vom Leben so weit entfernten Eliten getragen hat, wird mit der Realität nicht mehr fertig. Der Journalismus hat damit seine Existenzberechtigung so weit verloren, dass Psychologen den Menschen raten, ihn weniger oder gar nicht mehr zu konsumieren. Und woher sollen die Menschen dann die Grundlagen ziehen, eine Welt verbessern zu können, von der sie nicht einmal mehr wissen dürfen, wie sie ist? Und von der sie traumatisiert werden, wenn sie über sie hören?
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