Letzte Woche entschied der Presserat: Der Satz «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer», den SRF-Sportreporter Sascha Ruefer «angeblich» geäussert hatte, verletze weder die Antirassismus-Strafnorm, noch werde dadurch jemand aufgrund seiner Ethnie herabgesetzt – er sei aber dennoch rassistisch, weil damit Ausgrenzung «wegen einer Andersartigkeit» betrieben werde.
Mit anderen Worten: Die linke Wochenzeitung (WOZ), welche Ruefer in einem Artikel Rassismus vorgeworfen hatte, habe alles richtig gemacht. Sie habe zum Beispiel auch das Zwei-Quellen-Prinzip korrekt angewendet. Diese Prinzip besagt, dass Informationen von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden müssen.
Dies zumindest behauptete die WOZ. Der Presserat selber gibt zu: «Überprüft werden kann das nicht. Es ist aber nachvollziehbar, dass der Autor seine Quellen nicht genauer bezeichnen kann, ohne die Quelle zu gefährden.»
Wenige Monate zuvor tönte es noch ganz anders. Da rügte der Presserat die Basler Zeitung für den Artikel «Nicht mehr nur ein Pissoir: Roma hinterlassen Exkremente bei der Sierra-Plastik». Gleich wie die WOZ einige Monate später schrieb Tamedia, die Herausgeberin der Basler Zeitung in ihrer Beschwerdeantwort, über «mehrfach gestützte Informationen» zu verfügen.
Der Presserat fand jedoch: «In ihrer Beschwerdeantwort schreibt die Basler Zeitung zwar, die Informationen seien ‹mehrfach gestützt›. Ihre Quellen hätte sie jedoch im Artikel näher beschreiben müssen, auch wenn sie sie selbstverständlich nicht namentlich zu nennen braucht. Entscheidend ist, dass sich die Leserschaft ein Bild über die Quellenlage machen kann, die der Berichterstattung zugrunde liegt.»
Da dies die Zeitung nicht gemacht habe, lautete das unerbittliche Verdikt des Presserats: Verletzung der Wahrheitspflicht!
Und die WOZ im Fall Ruefer? Diese erwähnt ihre Quellen im Text – im Gegensatz zur Basler Zeitung – überhaupt nicht. Für den Presserat aber offenbar kein Problem, dass sich die Leserschaft in diesem Fall kein «Bild über die Quellenlage machen» konnte. Präsidentin des Presserats: die WOZ-Journalistin und ehemalige WOZ-Redaktionsleiterin Susan Boos. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Gerne sieht sich der Presserat auf der Seite der moralisch Guten. So führte er in einem Entscheid einst aus: «Nach der Praxis des Presserats zum Diskriminierungsverbot gilt eine Anspielung als diskriminierend, wenn ein Medienbericht durch eine unzutreffende Darstellung das Ansehen einer geschützten Gruppe beeinträchtigt und die Gruppe kollektiv herabwürdigt.»
Und weiter: «Roma [gehören] zu den durch das Diskriminierungsverbot geschützten Minderheiten».
Die Bitte um die Zustellung einer «abschliessenden Liste geschützter Minderheiten» quittierte der Presserat jedoch folgendermassen: «Eine solche Liste existiert selbstredend nicht.»
Presserat: Alles gaga?
Thomas Baumann ist Ökonom und freier Autor.
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