Dieser Text erschien zuerst auf dem Substack-Blog von Journalist Milosz Matuschek.
Wie sehr habe ich mir herbeigewünscht, genau diese Zeile irgendwann schreiben zu können: «Julian Assange ist frei!»
Heute ist dieser Tag.
Es ist nun so gekommen, wie es sich für einige Beobachter schon in den letzten Wochen abgezeichnet hat. Julian Assange hat einen Deal mit den USA geschlossen (der noch gerichtlich bestätigt werden muss). Er bekennt sich demnach in einem Anklagepunkt für schuldig und willigt in eine Strafe ein (die er aber bereits abgesessen hat). Damit ist der bedeutendste Aufklärungspublizist der Welt wieder auf freiem Fuss. Der Wikileaks-Gründer hatte 1901 Tage im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gesessen. Sicher: die Presse- und Informationsfreiheit wurde in den letzten Jahren so malträtiert wie noch nie in der Geschichte des freien Westens. Der Fall Assange selbst war eine Mischung aus politischem Schauprozess, permanenter Menschenrechtsverletzung und rechtsstaatlichem Offenbarungseid. Diese Katastrophe, die ein Präzedenzfall war, ist noch lange nicht aufgearbeitet.
Aktuell überwiegt die Erleichterung. Bei Stella Assange, die ihren Ehemann wiederbekommt. Bei den Kindern, die ihren Vater wiederhaben. Bei seiner Familie, den Kollegen von Wikileaks und den vielen Beobachtern und Sympathisanten in aller Welt. Der Fall Assange war eine mächtige Kraftprobe zwischen der Supermacht USA und einem unerbittlichen Freund der Wahrheit und Gerechtigkeit, ein Kampf David gegen Goliath. Ob dieser gänzlich vorbei ist, wird sich noch zeigen. Die USA hatten ihr Ziel ohnehin erreicht: Sie haben den wichtigsten Kritiker ihrer Machenschaften und Kriegsverbrechen über Jahre ausgeschaltet und gequält, die Auslieferungshaft war bereits die Strafe, vollzogen durch einen Verbündeten. Warum die Drecksarbeit auch immer allein machen? Assange kämpfte sich Runde um Runde vor, von einem Gerichtstermin zum nächsten, bis hin zum letzten Rechtsmittel. Was hätte eine längere Haft für die USA noch gewonnen? Nicht mehr viel. Vielleicht hätte Assange sogar den Rekurs gewonnen, oder es wäre eine Klatsche vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg erfolgt. Ein Deal schien da ein passabler, vermeintlich «gesichtswahrender» Weg.
Von wegen «gesichtswahrend»: Ihr wahres Gesicht haben die USA der Welt in den letzten Jahren am Exempel Assange zur Genüge gezeigt. Jeder weiss nun, dass die Veröffentlichungsfreiheit im Westen lebensgefährlich ist, wenn sie die Legitimität der USA in Frage stellt.
Die Pressefreiheit im Westen ist daher noch lange nicht «über den Berg». Aber immerhin hat die Welt begonnen, dies zu realisieren und hinzuschauen. Die Freilassung von Assange ist nicht zuletzt das Verdienst einer kritischen Gegenöffentlichkeit, die den Fall Assange nie aus den Augen gelassen hat – anders als viele seiner «Journalistenkollegen», die lange keinen Mucks zu diesem Fall rausbrachten (auch dieses Versagen wird noch aufzuarbeiten sein). Doch konkret: Es waren überwiegend nicht Stars und Sternchen, sondern ganz normale Menschen, die Woche für Woche auf Marktplätzen oder an Bahnhöfen, in Mahnwachen oder Protestmärschen immer wieder auf das Schicksal des Wikileaks-Gründers hingewiesen haben. Egal bei welchem Wetter und egal, ob da drei, fünf oder zehn Menschen beisammenstanden: All diesen Menschen gilt der grösste Dank. Diese dezentral organisierten Freiwilligen waren das manifestierte mahnende Gewissen, dass sich am Fall Assange auch das Schicksal der Freiheit im Wertewesten herauskristallisiert. Dass Assange heute frei ist, ist massgeblich ihr Verdienst.
Und ich muss nun nicht mehr gefühlt immer wieder den gleichen Artikel schreiben.
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