Durchbruch in Saudi-Arabien: Die Amerikaner und die Ukrainer verständigen sich auf eine Waffenruhe. Selenskyj lenkt ein, oder ist er schon entmachtet? Im Gegenzug schicken die USA wieder Waffen, Munition und Information. Der Ball liegt jetzt bei Putin. Washington droht mit Sanktionen. Friedensmacher Trump meint es ernst. Noch ist es nicht geschafft, die EU legt sich quer, die Briten zäuseln, doch, keine Frage, die Waffenruhe ist ein weiterer Triumph für Trump.
Doch der Zug der Wirklichkeit fährt wieder einmal an unserer Politik und an den Medien vorbei. Es gehört inzwischen zum guten Ton, sich über den neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump dermassen zu empören, ihn für dumm und primitiv zu halten oder ihn auszulachen, dass sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihm erübrigt. «Verpasst die Schweiz den Trump-Express?», titelten wir vor einer Woche. Die Frage ist entschieden zu bejahen, leider.
Viel zu sehr, argumentiert der frühere tschechische Präsident Vaclav Klaus, ein grosser Konservativer, beschäftige man sich mit Blick auf Trump mit dem Stil dieses unkonventionellen Politikers und nicht mit der Substanz. Trumps Methoden sind tatsächlich ungewohnt, seine Sprache ist politisch inkorrekt, er scheut sich nicht, die gewohnten, salonfähigen, auch salonfähig verlogenen Umgangsformen über den Haufen zu werfen, aber das ist nicht die Essenz dessen, worum es geht.
Nüchtern betrachtet, ist Trump ein Konservativer in der Tradition der Republikaner. Die frühere US-Botschafterin in der Schweiz, Faith Whittlesey, die unter Ronald Reagan diente und diesen Präsidenten verehrte, hat Trump schon früh als dessen geistigen und politischen Nachfolger bezeichnet, zwar nicht punkto Auftreten und Aura, aber in Bezug auf die Politik und auf die Fähigkeit, auch gegen grössten Widerstand das zu tun, was er für richtig hält im Interesse seines Landes.
Man sagt, Trump sei ein «transaktionalistischer» Politiker, einer, dem es ums «Geschäft» geht, um eine Vereinbarung, um einen «Deal». So bezeichnet er sich selber. Allerdings ist Trump auch ein «transformationaler» Politiker, ein Politiker der Veränderung, einer, der die Politik im Grundsätzlichen neu ausrichtet und nicht einfach etwas Kosmetik anbringt dort, wo seine Vorgänger aufgehört haben. Gerade der Veränderungspolitiker Trump, der Präsident des Wandels ist interessant. Vor allem ist er eine Chance für die Schweiz.
Worin besteht der Wandel? Trump vollzieht die Abkehr von einer Politik des grossen Staates, der steigenden Ausgaben, der höheren Steuern und der ökopolitischen Planwirtschaft, wie man sie in Europa zum Leidwesen der Industrie immer noch durchzieht. Trump setzt auf weniger Staat, mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Er stutzt die Bürokratie und verspricht, den privaten Sektor zu entfesseln. Sicherheit, innere wie äussere, sind bei ihm grossgeschrieben.
Das alles ist lupenreiner Ronald Reagan. Doch auch aussenpolitisch finden sich Parallelen. Reagan war ein kalter Krieger. Er hat die Sowjetunion durch Aufrüstung in den Bankrott getrieben. Doch der Antikommunist Reagan war, wie Trump, ein Freiheitskämpfer, kein sturer Ideologe. Bei ihm verbanden sich robuste Rhetorik und Aufrüstung mit Gesprächsbereitschaft und Diplomatie, Stärke mit Frieden. Damals war die Schweiz noch neutral und darum Schauplatz grosser Gipfeltreffen in Genf.
Die Medien behaupten, Trump sei ein Feind des Westens, er lasse die Europäische Union, die Nato im Stich. Das Gegenteil ist richtig. Hätte Trump seinen Vize Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz eine dermassen engagierte Rede halten lassen, wenn er den Bruch mit Europa suchte, wenn ihm Europa egal wäre? Wohl kaum. Doch die EU-Politik ist inzwischen derart von der Rolle, derart vernagelt, dass man Kritik, eine andere Meinung nicht mehr aufzunehmen bereit ist.
Vor allem aber ist Trump kein Moralist. Und gerade deshalb hassen ihn die Moralisten. Sie fühlen sich durch ihn ertappt, durchschaut, entlarvt. Der US-Präsident hat sich nie beeindrucken lassen von den hohlen Posen der «Gutmenschen», die in Europa ein ziemlich konkurrenzloses Dasein in der Öffentlichkeit geniessen, in den Talk-Shows, in den etablierten Kreisen des politischen «Mainstreams». In Trump sehen sie ihren grössten und fähigsten Widersacher, ihren Feind. Zu Recht.
Noch immer wird der US-Präsident unterschätzt. Seine Kritiker halten ihn für einen Angeber, einen Egomanen und krankhaften Narzissten, der seinen Ruhm der Oberflächlichkeit der amerikanischen Unterhaltungskultur verdanke. Einspruch. Egomanen haben nur einen Antrieb, ihr Ego. Darum sind Egomanen schwach, unfähig, Widerstand zu überwinden, durchzuhalten, wenn es darauf ankommt. Um das auszuhalten, was Trump aushalten musste, reicht das pure Ego als Antrieb nie.
Wäre Trump ein narzisstisches Leichtgewicht, ein Selbstoptimierer, hätten ihn die Amerikaner nie gewählt. Sie haben gespürt, dass es ihm ernst ist, dass er auf einem Fundament fester Überzeugungen steht und dass er nur deshalb bereit ist, für seine Überzeugungen Nachteile, Anfeindungen, gerichtliche Verfolgung und sogar Angriffe auf sein Leben in Kauf zu nehmen. Wer auf sicherem Boden steht, haut nichts so schnell um. Diesen Charaktertest, diese Feuerprobe hat Trump bestanden.
Mit Bravour. Vielleicht sollten Trumps Kritiker allmählich anfangen, diesen Politiker ernst zu nehmen und als das zu sehen, was er ist: einer, der an das glaubt, was er macht, und der auch macht, was er verspricht. Trump bringt den Nationalstaat zurück, das nationale Interesse. Er steht für klassische bürgerliche Werte. Er ist eine Chance für das verkrustete Europa und die verbrüsselte Schweiz, die im lauten Anti-Trump-Getöse ihre Orientierung allerdings zu verlieren droht.
Trump ist der politische Molotowcocktail, der jetzt in die nervöse Orientierungslosigkeit der Europäischen Union regelrecht hineinexplodiert. Die aufgeschreckten Eurokraten finden Trump schon fast schlimmer als Putin. Und die Schweiz? Sie hat sich anstecken lassen, taumelt mit im allgemeinen Durcheinander. Der Freisinn hat keinen Kompass mehr, die Mitte ist mit sich selbst beschäftigt. Von der SVP hört man nichts. Oberwasser haben die neutralitätsmüden EU-Anpasser in allen Parteien. Wie lange noch?
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