Israel macht daraus kein Geheimnis: Seine Luftwaffe hat Chemiewaffenlager und Langstreckenraketen in Syrien angegriffen, um zu verhindern, dass sie in die Hände von «feindlichen Akteuren», sprich Terroristen, fallen.
Wofür Israel von der Uno natürlich prompt gerügt wird. Für deren Generalsekretär António Guterres sind die «jüngsten und umfassenden Verletzungen der Souveränität und territorialen Integrität Syriens äusserst besorgniserregend».
Und sein Sonderberichterstatter Ben Saul, der bei der Weltorganisation «für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Terrorismusbekämpfung» zuständig ist, mahnt klipp und klar, dass die israelischen Angriffe auf Syrien «absolut keine völkerrechtliche Grundlage» haben. Man könne ein Land, das man nicht mag, «nicht präventiv oder präemptiv entwaffnen».
Da hat er natürlich recht. Einerseits. Anderseits übersieht Saul aber, dass Syrien laut internationalem Recht keine Chemiewaffen besitzen oder einsetzen dürfte. Das verbietet die Chemiewaffenkonvention (CWC), ein internationales Abkommen aus dem Jahr 1997, das Syrien im Jahr 2013 unterschrieben – sich dann aber nicht daran gehalten hat.
Nach Chemiewaffenangriffen auf die eigene Bevölkerung wollte Baschar al-Assad mit dem Beitritt zur Konvention seine internationalen Kritiker besänftigen. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen und Russlands hatte Syrien damals zugestimmt, sein Chemiewaffenarsenal offenzulegen und zu zerstören. Was dann aber nicht geschah.
Die verbotenen Bestände hat Assad verheimlicht und sie nicht vernichtet. Laut Angaben internationaler Waffeninspektoren lagern irgendwo in Syrien mehr als 360 Tonnen Senfgas, deren Herstellung Syrien zugegeben hat, über die aber nie vollständig Rechenschaft abgelegt worden ist.
Hinzu kommen fünf Tonnen fehlender Ausgangsstoffe für das Nervengift Sarin – genug Gift, um ein kleines Schwimmbecken zu füllen. Auf Nachfrage boten syrische Beamte eine Entschuldigung an, die lächerlich absurd erschien. «Während des Transports durch Verkehrsunfälle verloren», sagten die Syrer laut Notizen aus einer vertraulichen Untersuchung von 2016.
Die Frage, was mit diesen Chemikalien geschehen ist – von denen zumindest einige vermutlich für eine spätere Verwendung versteckt wurden –, stellt sich nach der Übernahme des Landes durch die syrischen Islamisten plötzlich ganz dringend.
In einem Land ohne zentrale Regierungsgewalt und mit Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat, die in den gesetzlosen östlichen Wüsten umherziehen, hat die Sicherung der verbliebenen Chemikalien nicht nur für die Bürger Syriens und deren Nachbarn, sondern auch für Länder auf der ganzen Welt höchste Priorität.
Deshalb berief die Aufsichtsbehörde für Chemiewaffen nach Assads Sturz eine Dringlichkeitssitzung ein, um über die Lage in Syrien zu debattieren.
Aber weder die Uno noch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPWC) werden durchsetzen können, dass sich die neuen Machthaber mit ihrer Dschihadisten-Ideologie an internationale Vorschriften halten.
Deshalb sollte die Uno Israel nicht rügen, wenn es die Giftgasbestände vernichtet. Sie sollte vielmehr danke sagen: danke dafür, dass Israels Luftwaffe erledigt, was durch Palaver und Sitzungen nicht gelingen kann.
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