Wer ist nach einem Wahltag Sieger? Derjenige, der an der Spitze liegt? Oder derjenige, der am rasantesten wächst?
Bei dieser Einschätzung hilft der Blick zurück. Mit Helmut Kohl an der Spitze haben CDU/CSU zwischen 1980 und 1993 bei gesamtdeutschen Wahlen jeweils zwischen 41,4 und 48,8 Prozent der Stimmen erreicht. Zum Teil also haarscharf an der absoluten Mehrheit vorbei.
Diese goldenen Zeiten sind definitiv vorbei. Nur scheinen die Medien die Vergangenheit vergessen zu haben.
Am vergangenen Sonntag holte Friedrich Merz mit seiner CDU/CSU weniger als 30 Prozent der Stimmen. Das reicht für Platz eins unter den Parteien. Und glaubt man den Medien, dann ist er damit der Triumphator bei den vorgezogenen Neuwahlen. Er wird als «Wahlsieger» gefeiert.
Warum?
Nur weil Merz nach der Totalpleite 2021 unter Kanzlerkandidat Armin Laschet mit damals 24,1 Prozent einige Prozente gutgemacht hat. Mit voraussichtlich 28,5 Prozent.
Ein Witz verglichen mit früheren Zeiten.
Die wahre Wahlgewinnerin wird von den meisten Medien kaum als solche erwähnt. Wann hat sich jemals eine Partei von einem Wahlgang zum nächsten praktisch verdoppelt?
Der AfD ist das gelungen: Von 10,3 im Jahr 2021 auf sicher über 20 Prozent bei den aktuellen Wahlen.
In klaren Zahlen: Jeder Fünfte wählte die AfD, während sich im Vergleich nur knapp jeder Sechste zur Stimme der einstigen politischen Grossmacht SPD durchringen konnte.
Weder in deutschen noch in Schweizer Medien ist etwas von dieser Transformation zu lesen. Alle konzentrieren sich darauf, mit wem «Wahlsieger» Friedrich Merz, der nächste Kanzler, nun eine Koalition bilden wird.
Dass CDU/CSU genau wie die AfD als Oppositionspartei an den Start gingen und die Partei von Friedrich Merz in diesem Wettstreit punkto Zugewinn weit hinter der Partei von Alice Weidel zurücklag: Es ist kaum ein Thema.
Die Union war schon immer eine Volkspartei, und sie konnte den Status nun noch knapp halten. Die AfD hingegen ist neu in diese Riege vorgerückt. Das ist die eigentliche Sensation des Wahltags. Auch wenn sie kaum erwähnt wird.
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