«Wollten Sie nicht mit dem Rassemblement National aufräumen?», war die letzte Frage der TV-Journalistin am Abend des D-Day.
Seit dem Verlust der Mehrheit im französischen Parlament betrieb Emmanuel Macron nur noch Erinnerungspolitik.
Die Kampagne für die Wahl des Europa-Parlaments führte er als Gedenk-Marathon gegen das Rassemblement National (RN). «Mit den Rechtsextremisten wären die Franzosen einer neuen Pandemie schutzlos ausgeliefert», schwadronierte der französische Präsident im Fernsehen.
Hohle Worte, leere Phrasen – seit Monaten verhallen sie im Nichts.
Nicht einmal die letzte Frage der Journalistin verschlug ihm die Sprache: «Genau das mache ich.»
Vor fünf Jahren betrug der Rückstand seiner Partei Renaissance 1 Prozent auf RN. Von 25 auf 15 Prozent ist sie zurückgefallen. Doppelt so viele Stimmen hat das Rassemblement National bekommen.
Ein politisches Erdbeben. Macrons Mitte existiert nicht mehr. Ein Auftritt am Wahlabend war nicht vorgesehen. Eine Stunde nach der Verkündung der Resultate sprach er im Fernsehen: Das Parlament wird aufgelöst, Ende Juni gibt es Neuwahlen.
Kein Mensch in Frankreich hatte dieses Szenario im Kopf.
Ist das RN zum Regieren bereit? Es dominiert das rechte Lager wie einst die Gaullisten. Deren Erben, die Republikaner, sind bei 7 Prozent. Eric Zemmours Reconquête erlebt mit 5,1 Prozent eine weitere Niederlage. Seine Spitzenkandidatin Marion Le Pen steht vor der Rückkehr in den Schoss der Familie. Jordan Bardella könnte neuer Premierminister werden.
Auf der Linken hat Raphaël Glucksmann den Sozialisten zu einem spektakulären Comeback verholfen. François Hollande hat bereits seine Hilfe angeboten.
Für heute Montag, den 10. Juni, hatte Macron den Besuch der Ruinen von Oradour angekündigt. Das Dorf war vor achtzig Jahren von der SS-Division «Das Reich» ausgelöscht worden. Doch Macrons Gedenk-Marathon geht schon vor den Olympischen Spielen in Paris zu Ende. Die Politik kehrt zurück.
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