Der Ukraine-Krieg erklärt fast alles. Bei einer Verlautbarung des Theaters St. Gallen reibt man sich nun aber doch die Augen: Der russische Einmarsch habe dazu «gezwungen, das Programm der Festspiele mit Tschaikowskis ‹Jungfrau von Orléans› zu überdenken». Es sei «derzeit nicht zu verantworten, mitten in der Stadt im Freien russische Musik, der kriegerische Handlungen zugrunde liegen, zum Erklingen zu bringen».
Das klingt nach schlechtem Scherz, ist aber offenbar ernst gemeint. Mitten in der Stadt im Freien? In einem Gebäude in der Agglo wäre es offenbar gegangen. Erst recht staunt man über den Ersatz: «Giovanna d’Arco» von Giuseppe Verdi. Exakt der gleiche Stoff, einfach auf Italienisch statt Russisch. Da man selbst in der Ostschweiz Tschaikowski kaum ernsthaft die Schuld an Putin geben wird, dürften andere Gründe vorliegen.
Mutmasslich wurde die «Jungfrau» miserabel verkauft – das Werk wurde nämlich fast nur angesetzt, wenn Anna Netrebko sang. Die aber steht gerade nicht zur Verfügung. Also flugs die Notbremse gezogen; Verdi geht immer. Zwar gehört «Giovanna» nicht zu dessen Rennern (ausser es singe die Netrebko), aber immerhin Verdi und kein Russe.
St. Gallen wäre gut beraten mit mehr Ehrlichkeit. So aber wird ein grosser Komponist diskreditiert und das Publikum genarrt: «Karten behalten ihre Gültigkeit». Schön, nur – die paar Leute, die sich für Tschaikowskis Rarität entschieden haben, wollen wohl keinen Ersatz-Verdi. Und wenn schon Verdi, dann gleich «Falstaff», da stirbt wenigstens keiner. Aber für den «öffentlichen Raum» des Klosterhofs wäre der wohl zu frivol gewesen.
PS: Auch das Musiktheater Wil setzt ein «klares Zeichen gegen den Krieg». Es streicht die komische Oper «Zar und Zimmermann» von Albert Lortzing aus dem Programm. Das deutsche Werk spielt zwar in Holland, aber das Wort «Zar» sei ein Reizwort.
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