Für Abschiebeflüge gibt es keinen Flugplan. Aber worauf man sich in Deutschland verlassen kann: Kurz vor wichtigen Wahlen wird schon mal eine Maschine startklar gemacht.
Im Vorfeld der Landtagswahlen im vergangenen Herbst flogen 27 straffällige Afghanen mit 1000 Euro Handgeld im Gepäck gen Heimat, jetzt fliegen 47 abgelehnte Asylbewerber von Hannover aus in den Irak.
Zwischen den beiden Maschinen war der Rückreiseverkehr eher unregelmässig. Nach Afghanistan ging gar keine Verbindung, dafür reisten mehr als tausend Afghanen ins benachbarte Pakistan, um von dort aus den Asylflug nach Deutschland anzutreten.
In den vergangenen zwölf Monaten, so die offizielle Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des CDU-Innenpolitikers Christoph de Vries, wurden 28 Afghanen abgeschoben und 3940 aufgenommen.
Diese Art der plakativen Härte kurz vor Wahlen ist nichts anderes als Wählertäuschung. Dass nun auch noch zwei «Dublin-Zentren» für Migranten eingerichtet werden sollen, die innerhalb der EU gemäss Dublin-Abkommen in die Staaten zurückgeschickt werden sollen, in denen sie zuerst registriert worden sind, fällt in die gleiche Kategorie. Eines der beiden Zentren soll in Hamburg angesiedelt werden, wo am 2. März eine neue Bürgerschaft gewählt wird, das andere in Brandenburg.
Vor diesem Hintergrund muss man mit keinem besonders guten Gehör ausgestattet sein, um die Wahlkampf-Nachtigall trapsen zu hören. An der Realität von mehreren Hundert illegalen Einreisen pro Tag ändert dieser Wahlkampf-Aktionismus freilich nichts. Viele EU-Staaten nehmen die sogenannten Dublin-Flüchtlinge – Vertrag hin oder her – ohnehin nicht zurück. Italien akzeptierte laut Bild ganze drei Rückführungen bei knapp 13.000 Migranten, die von Italien nach Deutschland kamen.
Auch gegen flächendeckende Grenzkontrollen sträubte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lange und führte sie dann nach etlichen Anschlägen doch ein. Seitdem rühmt sich Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf nahezu täglich des Erfolgs der Kontrollen, zu denen ihn vor allem die Union über Monate gedrängt hatte.
Heute spricht Scholz gern in der Ich-Form von den Abschiebungen, als habe er eigenhändig mehr als 40.000 Illegale zurückgeschickt.
Fakt ist: Bis zur Wahl ändert sich am grundsätzlichen Migrationsproblem in Deutschland gar nichts, und ob danach etwas geschieht, steht noch in den Sternen möglicher Koalitionsverhandlungen. Aber hoffen kann man natürlich.
Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.
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