In den letzten Tagen machte ein «Skandal» die Runde: Eine oder mehrere Firmen, welche gegen Entgelt Unterschriften für Volksinitiativen sammeln, haben in einigen Fällen offenbar gefälschte Unterschriften abgeliefert.
Der wirkliche Skandal liegt allerdings, wenn schon, anderswo: nämlich darin, dass die Behörden kaum eine Handhabe haben, die Echtheit dieser Unterschriften zu überprüfen.
In diesem Zusammenhang publizierte der Tages-Anzeiger gestern ein Interview mit dem «Campaigner» Daniel Graf. Dieser empört sich gegen das professionelle Sammeln von Unterschriften: «So wird eine Initiative zur Ware, die man bestellen kann wie eine Pizza.»
Und meinte in vermeintlich staatsmännischer Pose: «Es steht viel auf dem Spiel, es geht um das Vertrauen in die direkte Demokratie.»
Was dagegen tun? Daniel Graf weiss Rat: «Ich befürworte schon lange, dass Unterschriften auch elektronisch gesammelt werden können. Beim sogenannten E-Collecting könnte man die Handynummer hinterlegen. Dann bekäme man nach dem Signieren einer Initiative ein SMS: ‹Waren Sie das — ja oder nein?›»
Doch wer ist dieser Daniel Graf? Die Aargauer Zeitung schrieb im Mai 2022: «Adressen sind die harte Währung der Politik — Aktivist Daniel Graf hat das System perfektioniert, und die Parteien eifern ihm nach. Wer in der direkten Demokratie mitreden will, braucht Unterschriften. Um diese zu sammeln, braucht man wiederum möglichst viele Adressen. Daniel Graf, Gründer von Wecollect, hat die beste Adresskartei der Schweiz.»
Stolz steht auf der Webseite von Wecollect: «Seit dem Start 2015 haben wir über 800 000 Unterschriften gesammelt.» Nicht gesagt wird: Die meisten der unterstützten Initiativen und Referenden stammen aus dem rotgrünen Lager. Kein Wunder, im Stiftungsrat der Plattformbetreiberin sitzt unter anderem der Lebenspartner der SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer.
Der Schluss liegt auf der Hand: Können Unterschriften auch elektronisch gesammelt werden, dann gewinnt die «berühmte» Adresskartei von Daniel Graf noch mehr an Macht. Und Daniel Graf wird erst recht zum grössten politischen Pizzabäcker des Landes.
Doch wollen auch andere in diesem Geschäft mitmischen, dann sieht der Möchtegernmonopolist sogleich die direkte Demokratie in Gefahr.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Thomas Baumann ist Ökonom und freier Autor.
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