Assad hat verloren. Russland, das dessen Herrschaft im Jahr 2015 mit einem militärischen Eingreifen gerettet hatte, liess ihn fallen, ebenso der Iran, der ihm bisher mit Truppen seines Stellvertreters im Libanon, der Hisbollah, unterstützt hatte. Assads Verbündete sind von den Kämpfen an ihren eigenen Fronten abgelenkt, in der Ukraine und gegen Israel.
Aber nicht nur die beiden Stützen seines Regimes liessen ihn fallen. Assad hatte am Ende sogar die Türkei zum Eingreifen gegen den Vormarsch der HTS aufgefordert, und er bat Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Jordanien und den Irak um Waffen und nachrichtendienstliche Hilfe. Alles wurde ihm verweigert.
Das Ende der brutalen Herrschaft hat in Damaskus Jubel ausgelöst.
Und das aus gutem Grund. Assad, der im Jahr 2000 die Nachfolge seines Vaters Hafez al-Assad angetreten hatte, war ein brutaler Despot. Während des Bürgerkriegs setzte er die grausamsten Mittel ein, um seine Gegner auszuschalten: chemische Waffen, Fassbomben, Belagerungs- und Hungertaktiken, Massenverhaftungen, Folter und Mord.
Was von den neuen Herrschern zu erwarten ist: Darüber sind sich die Experten nicht einig. Die einen weisen darauf hin, dass der neue starke Mann, HTS-Chef Muhammad al-Jolani, in früheren Jahren islamistische Dschihad-Ideologie eingeatmet hat: Er kämpfte einst für den Islamischen Staat, und die USA haben ein Kopfgeld von zehn Million Dollar auf ihn ausgesetzt. Jetzt gibt er sich allerdings relativ moderat.
«Ich glaube, dass jeder im Leben Phasen und Erfahrungen durchläuft … Wenn man wächst, lernt man, und man lernt weiter bis zum letzten Tag seines Lebens», sagte er auf die Frage von CNN nach seinem Wandel.
Er hat zwar seine dschihadistische Tarnkleidung gegen einen Blazer und ein Hemd im westlichen Stil getauscht. Rätseln muss man aber darüber, mit welchem Jolani es Syrien und seine Nachbarn künftig zu tun haben werden: Mit dem radikalen Dschihadi oder mit dem Islamisten light?
Bald wird man es wissen. Denn die eigentliche Bewährungsprobe kommt, wenn die zahlreichen Fraktionen versuchen, die Beute des Sieges – die Macht in Syrien – unter sich aufzuteilen. Neben der Gefahr von Zusammenstössen zwischen den Rebellen ist zu befürchten, dass der IS – der einst grosse Teile Nord- und Nordostsyriens kontrollierte – das Chaos ausnutzen und ein Comeback versuchen wird.
Die Kommentare auf weltwoche.ch dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.
Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Unzulässig sind Wortmeldungen, die
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.