Nach Kolumbus, Beethoven, Kant, Schopenhauer, Hegel, Nietzsche, Wagner, Bismarck, Churchill, George Washington, Gandhi, Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer ist jetzt auch Martin Luther dran.
Die «Cancel Culture», neueste Geisteskrankheit der westlichen Demokratien – die fanatisch betriebene rückwärtige Säuberung der Menschheitsgeschichte von allem, was irgendwie als «rassistisch», «sexistisch» oder «kolonialistisch» gebrandmarkt werden kann –, hat nun auch Sachsen-Anhalt erreicht, genauer: die Luther-Stadt Wittenberg.
Der tapfere Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät 1 kämpft für die Umbenennung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, weil der Augustinermönch und Bibelübersetzer ein «Antisemit», «Sexist» und «Klassenfeind» gewesen sei – so die erkenntnisleitenden Invektiven eines öffentlichen Vortrags in der letzten Januarwoche 2022.
Dass jener Mann, der am 31. Oktober 1517, also vor gut 500 Jahren, seine 95 Thesen gegen die Dogmen der katholischen Papstkirche an die Wittenberger Schlosskirche schlug, im Gedankengebäude des christlichen Antijudaismus gefangen war wie so viele seiner Zeit, ist keine Meldung wert.
Ebenso wenig wie die Tatsache, dass George Washington etwa 400 Sklaven hatte, Friedrich Nietzsche («Vergiss die Peitsche nicht, gehst du zum Weibe!») Alice Schwarzers «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen» nicht kannte und Ludwig van Beethoven am Ende ein ziemlich alter, gehörloser weisser Mann war, der es nicht mal auf zehn Symphonien brachte, wobei er sich zum Schluss der neunten in der Not auf einen Chor verlegte.
Die einzige Frage, die sich stellt, lautet: Woher kommt dieses Cancel-Virus und warum ist es so ansteckend? Ist es womöglich auch einem chinesischen Forschungslabor entsprungen, um das Immunsystem des Westens zu zerstören? Oder handelt es sich am Ende doch um ein endemisches Phänomen wie in der spätrömischen Epoche: die Selbstzerstörung einer jahrhundertealten Kultur, die ihren Errungenschaften gegenüber nur noch Überdruss und (Selbst-)Hass empfindet?
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