Schon vor einer knappen Woche wurde der Berliner Tagesspiegel nervös: Er rief unter einer dicken Dachzeile aus: «Neuer Roman von Uwe Tellkamp – Wird das Buch trotz schlechter Kritiken ein Bestseller?»
Und nun, ein paar Tage später, haben wir den Salat: Tellkamps virtuoses Erzählwunder springt von null gleich nach seinem Start auf Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste.
Dabei war sich doch die deutsche Kritik einig wie nie zuvor, Tellkamp so sehr in den Boden zu trampeln wie sie ihn in den Himmel lobte nach seinem Vorgänger-Roman «Der Turm» mit all den Auszeichnungen und über einer Million verkaufter Exemplare.
Warum?
Nun, der Autor gilt als «neurechts», seit er in einer Diskussion mit dem Lyriker Durs Grünbein vermutete, dass viele Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen. Seitdem ist er für die Feuilletons, anders als Grünbein, der ihm heftig widersprach, Persona non grata.
Aber die Freimütigkeit, mit der sich Kritiker hier zu einer Jagdgemeinschaft zusammengeschlossen haben, um einen politisch missliebigen Autor mundtot zu machen und wirtschaftlich zu schädigen, ganz unabhängig vom ästhetischen Wert seiner Unternehmung, überrascht dann schon.
Denn Uwe Tellkamps neues Buch, der «Schlaf in den Uhren», ist ein gigantisches Lesevergnügen in jeder Beziehung: im Umfang und im Einfallsreichtum seines Episodenromans, der an die Kühnheit von Thomas Pynchons Meilenstein «V.» erinnert. Was für ein Wurf!
Tellkamps neuster ist Bildungsroman und Fantasy in einem, er ist – in Anlehnung an Grabbe – Satire und Scherz und durchweg von tieferer Bedeutung.
Man darf an diesem Beispiel ein nahezu kollektives Versagen der Kritik attestieren und feststellen: Die Tage betreuten Lesens sind offenbar vorbei, Qualität setzt sich durch.
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