Wer sich am Mittwoch um kurz vor 20 Uhr beim Zürcher Bahnhof Stettbach aufhielt, konnte die Schlange vor dem Eventcenter «The Hall» kaum übersehen haben.
Dort fand der Vortrag des kanadischen Star-Psychologen statt: Jordan Peterson trat auf.
Der Andrang im rot-grünen Zürich erstaunte: Denn der Weltbestseller-Autor umwirbt sein Publikum nicht mit Themen wie Klima oder LGBTQ. Trotzdem war die Halle in Zürich, die für 5000 Besucher Platz bietet, bis auf den letzten Stuhl ausverkauft.
Das vorwiegend junge Publikum wurde von Ehegattin Tammy Peterson begrüsst. Peterson beantwortete dann drei vom Publikum im Voraus eingereichte Fragen in rund eineinhalb Stunden.
Bei der zweiten Frage ging es um die Cancel-Culture und ob es sich lohnt, dagegenzuhalten.
Peterson startete mit dem Argument, dass vor allem intelligente Kinder bereits früh zu lügen beginnen. Diese Beobachtung habe er als klinischer Psychologe und Vater gemacht.
Was am Ende herauskomme, wenn man Kinder damit durchkommen lasse, sei verheerend, so Peterson. Die Beziehung des Einzelnen zur Realität könne komplett zerstört werden. Das Leben degeneriere, es herrschten nur noch Frustration und Enttäuschung. Aus der Verbitterung entstehe das Gefühl der Rache, mit der die Person Gräueltaten legitimiere.
Peterson schweifte ab und vergass den Zusammenhang zur Frage, bis seine Frau ihm wieder auf die Sprünge half. Dann schlug er die Brücke übers Lügen bis zur Cancel-Culture, die nach ihm nur auf Unwahrheiten begründet ist. Kenner seiner Bücher sind mit seinem Konzept der Lüge vertraut. Laut Peterson stützen mehrere kleine Lügen eine grosse Lüge. Diese verzerren das Denken, um das Schamgefühl zu unterdrücken. Danach lüge man weiter, um die Folgen des verzerrten Denkens zu verdecken.
Wenn Leute also gecancelt würden, weil sie etwa nur zwei Geschlechter anerkennten, stütze sich die Zensur auf ein unwissenschaftliches Fundament, das auf vielen einzelnen Lügen beruhe.
«Hätte man bereits vor dreissig Jahren seine Meinung effizient kundgetan, wären wir heute weltweit an einem anderen Punkt», bedauerte Peterson. Andersdenkende Professoren werden heute gecancelt. Sein Fazit: Der Kompromiss, seine Meinung für sich zu behalten, lohne sich nicht.
Sein Ratschlag: Setzt euch für die Wahrheit ein, die ihr als richtig anseht.
Der Konsequenzen sollte man sich allerdings bewusst sein. Man verliere seine Anstellung, Ansehen oder was einem sonst lieb sei. Wer das «Coming-out» aber sorgfältig plane, werde von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt. Denn viele hätten die Wokeness satt, sagt Peterson und erntet am Ende Standing Ovations.
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