Am Londoner Tavistock Square erinnert ein Bronzekopf an die Schriftstellerin Virginia Woolf (1882–1942).
Mit Romanen wie «Mrs. Dalloway» oder «Orlando» gilt sie als eine Avantgardistin der selbstbestimmten Frau im 20. Jahrhundert. Sie führte in der Zwischenkriegszeit mit ihrem Mann ein offenes Haus im Stadtteil Bloomsbury, in dem die wegweisenden Denker der Zeit ein und aus gingen.
All das kümmert die lokale Bezirksverwaltung von Labour indes nicht: Sie will die Skulptur weghaben, denn Virginia gilt neuerdings als Rassistin. So ist ein politisch korrektes Parteimitglied in den Tagebüchern auf angeblich rassistisches Denken der Schriftstellerin gestossen.
Sie soll etwa in ihren Aufzeichnungen einen Afrikaner als «schwarzhäutig wie ein Affe» charakterisiert haben. Auch ist eine Fotografie aus dem Jahr 1910 aufgetaucht, in dem Virginia Woolf in einem äthiopischen Kostüm mit geschwärztem Gesicht zu sehen ist – pfui.
Woolf war auch ein Snob, fest verankert im englischen Klassensystem, was sie all diejenigen spüren liess, die nicht der bildungsbürgerlichen Elite angehörten.
Dessen ungeachtet wehren sich nun engagierte Feministinnen für ihre Virginia, die als Teenager sexuelle Übergriffe erdulden musste. Sie sei also nicht nur Täterin, sondern auch Opfer, und habe darum ein Denkmal verdient. Ihre Unterstützerinnen schlagen vor, die Plastik stehen zu lassen, aber mit einer Trigger-Warnung zu versehen: «Achtung, Rassistin!»
Der amerikanische Stückschreiber Edward Albee hatte einst eines seiner Gesellschaftsdramen mit «Wer hat Angst vor Virginia Woolf?» betitelt. Jetzt wissen wir es, sechzig Jahre später: die Kleingeister von Labour in Bloomsbury.
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