Was hat die Welt gerätselt: Was führt Putin im Schilde? Warum massiert er seine Truppen?

Politiker misst man am besten an ihren Taten. Und die liefert Putin jetzt, unmissverständlich.

Putin hat einen Krieg gegen einen souveränen Staat eröffnet, auf den er sich minutiös vorbereitet hat.

Die Gefahr in der Ukraine, die Gefahr durch die Nato, die Putin heraufbeschwört, ist ein vorgeschobener Grund für die Invasion, die er jetzt durchzieht – in eklatanter Verletzung des Völkerrechts.

Zur Erinnerung: Die Ukraine ist nicht Mitglied der Nato. Und: Von der Ukraine gingen keine kriegerischen Aggressionen gegen Russland aus, die einen Krieg gegen diesen souveränen Staat in irgendeiner Weise legitimieren würden.

Die wahren Gründe für Putins Invasion hat er in seiner Rede an die russische Nation erörtert.

Eine volle Stunde nahm er sich am Montag Zeit, «um die Motive des russischen Handelns und die Ziele, die wir uns gesetzt haben, zu erklären».

Es war eine Wutrede, die vor Revisionismus nur so strotzte. Ein episches Lamento über das ramponierte russische Grossreich. Eine Schuldzuweisung an die «bolschewistischen Führer»: «Sie haben den Zusammenbruch des historischen Russlands auf dem Gewissen.»

Die Ukraine, daran lässt Putin keinen Zweifel, sei eine Missgeburt ohne jegliches Existenzrecht. Gezeugt vom Säulenheiligen der Sowjetunion, Wladimir Iljitsch Lenin. «Er war Autor und Architekt» der modernen Ukraine, der «Wladimir-Lenin-Ukraine», wie Putin sie nennt.

«Lenin und seine Mitstreiter taten das auf sehr grobe Weise mit Russland selbst – durch Sezession, indem sie Teile seiner eigenen historischen Territorien abtrennten.»

Vor lauter Phantom-Schmerz kriegte sich Putin kaum mehr ein: «Warum war es notwendig, irgendwelche grenzenlos wachsenden nationalistischen Ambitionen an den Rändern des ehemaligen Reiches zu befriedigen?», schalt Putin Lenin.

Damit der Tirade gegen den einbalsamierten Toten nicht genug. Nach Putins Lesart waren die «leninistischen Prinzipien des Staatsaufbaus (der Sowjetunion) nicht nur ein Fehler, sondern weitaus schlimmer als ein Fehler.» Vielmehr ein Verrat am russischen Grossreich. Den es rückgängig zu machen gilt.

Jetzt holt der edle Russ zurück, was der verräterische Russ verscherbelt hat, sagt sich Putin.

Da muss gar nicht erst ein casus belli her. Es reicht, die Ukraine einen dysfunktionalen Staat zu nennen. Deren Führung undankbare, korrupte Halunken zu schimpfen. Es reicht die Behauptung, die Nato sei gar kein Verteidigungsbündnis, sondern eine aggressiv gegen Russland gerichtete Angriffsmacht, quasi auf dem Sprung nach Moskau.

Allen, die interessiert sind an dem, was noch kommen mag, sei Putins Abrechnung mit Lenin zur Lektüre empfohlen. Sie erklärt mehr über seine Motive, als alle Fernpsychologen und Politanalysten zusammen in Worte fassen können.