Die Überraschung am Samstagabend war perfekt. Als erster westlicher Politiker seit Kriegsausbruch traf Naftali Bennett in Moskau Wladimir Putin. Drei Stunden dauerte das Gespräch. Washington, Berlin und Paris waren vorher in Bennetts Pläne eingeweiht worden und hatten dem Vermittlungsversuch ihren Segen gegeben. Nach dem Treffen telefonierte Bennett mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj und mit Präsident Emmanuel Macron. Danach flog er nach Berlin zur Besprechung mit Kanzler Olaf Scholz.
Ob der israelisch-russisch-ukrainische Dialog zu einer Lösung des Konflikts beitragen kann, ist derzeit zwar mehr als fraglich. Aber allein die Tatsache, dass Israel seine Guten Dienste offeriert, ist hochwillkommen. Wenn die Moskau-Mission Bennetts zu einem Waffenstillstand führen und Leben retten kann, wäre schon viel gewonnen, selbst falls die Ruhe zeitlich bloss beschränkt sein sollte.
Dass ausgerechnet Israel als Vermittler akzeptiert wird, ist einerseits mit der Neutralität zu erklären, auf die Jerusalem in diesem Konflikt Wert legt. Bennett hat sich weder den Wirtschaftssanktionen angeschlossen noch Moskau lauthals verurteilt oder der Ukraine Waffen geliefert. Israel unterhält gleichzeitig gute Beziehungen zu den USA, zu Russland und zur Ukraine.
Israels Neutralität ist ein Seiltanz. Aber er könnte dem Frieden dienen. Bennett musste genau abwägen, wie er das Vorgehen Putins in der Ukraine kommentiert. Einerseits wollte er Israels wichtigsten Verbündeten, die USA, nicht verärgern, weil er auf eine Verurteilung der russischen Invasion verzichtet hat. Denn um Israels guten Draht zu Moskau nicht aufs Spiel zu setzen, hält er sich mit Kritik bewusst zurück. Russland kontrolliert den Luftraum über Syrien und erlaubt der israelischen Luftwaffe, ungehindert gegen iranische Aktivitäten in Syrien vorzugehen. Für Israel, das eine iranische Präsenz im Nachbarland verhindern will, ist das Einverständnis Russlands von entscheidender Bedeutung.
Für Israel, das sonst immer Positionen für die eine oder andere Seite ergreift, gehört Neutralität dieses Mal zur Überlebensstrategie, die auch anderen zugutekommen könnte, indem sie für den Frieden eingesetzt wird.
Die Kommentare auf weltwoche.ch dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.
Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Unzulässig sind Wortmeldungen, die
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.