Das Faszinierendste an Angela Merkel ist, wie lange sie sich an der Macht zu halten vermochte, ohne dabei irgendwelchen Gestaltungswillen erkennen zu lassen.
Ich wage die Behauptung, dass sie sich dabei nicht einmal für Politik interessierte. Vielleicht ganz am Anfang, als sie eine radikale Vereinfachung des Steuersystems versprach, die es möglich machen sollte, die Steuererklärung auf einem Bierdeckel auszufüllen. Es kam nicht dazu.
Frau Merkel war genau das, was sie ihren Kritikern vorwarf: eine Populistin. Ihr ging es nicht um Inhalte, sondern um Macht.
Längst ist bekannt, wie sehr sich Frau Merkel in Denken, Reden und Handeln von Meinungsumfragen, die teilweise geheim gehalten wurden, beeinflussen liess. Gewisse Formulierungen von Demoskopen fanden sogar wörtlich Eingang in ihre Regierungsprogramme.
Doch nicht einmal die Pfarrerstochter Angela Merkel hätte es gewagt, selbst den lieben Gott für den Machterhalt einzuspannen. Das macht dafür Markus Söder mit einer atemberaubenden Lässigkeit.
Nur Wochen vor der Landtagswahl von 2018, die für seine CSU zum Debakel zu werden drohte, wurde aus dem Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik ein überzeugter Anhänger.
Aufgrund einer «politischen Nahtod-Erfahrung» sei er vom Saulus zum Paulus geworden. Je nach Publikum erzählte Söder die Geschichte in mehreren Versionen. Solche Fähigkeit macht den Profi-Populisten erst aus.
In der Absicht, Corona-Hysterikerin Merkel zu gefallen, trat Markus Söder in der Folge für immer radikalere Corona-Massnahmen ein. Er wartete nicht erst, bis Merkels Amtsnachfolger rote Linien für inexistent erklärte. Er handelte wie ein absolutistischer Fürst.
Und als das bayerische Verwaltungsgericht Akten über Güterabwägung, Verhältnismässigkeit, und Rechtsstaatlichkeit verlangte, musste Söders Staatskanzlei eingestehen, dass keine solchen vorhanden waren. In der Eile wurde alles mündlich entschieden.
Bereits vollzieht Söder die nächste Spitzkehre: Nun fordert er ein rasches Aufheben der Massnahmen – und gleichzeitig ein bundesweites Corona-Frühwarnsystem.
Populismus, Dein Name ist Markus Söder!
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