Lange glaubten die Befürworter besonders harter Corona-Massnahmen, in Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder einen zuverlässigen Alliierten zu besitzen. Die Rolle des harten Corona-Sheriffs spielte er auch tatsächlich, solange er eine Mehrheitsstimmung hinter sich wusste. Jetzt kündigte Söder an, die geplante Impfpflicht für medizinisches Personal in Bayern nicht umzusetzen.
Damit zieht er das Trommelfeuer all derjenigen auf sich, die den Corona-Krisenmodus so schnell nicht verlassen wollen. Ein ARD-Kommentator warf Söder sogar vor, die Axt an die Wurzeln des Rechtsstaats zu legen. Der Franke, heisst es quer durch die politische Landschaft, sei Opportunist. Was zweifellos zutrifft. Nur: Ist das so schlecht?
Der Vorwurf der Rechtsstaatswidrigkeit steht auf wackeligen Füssen. Über die Umsetzung des Bundesgesetzes bestimmen die Länder selbst. Aber noch viel wichtiger ist das Gespür des notorischen Opportunisten für den Wind, der sich gerade dreht. Angesichts der Lockerungen in den Nachbarländern wächst in Deutschland die Sehnsucht nach Normalität.
Söder erkennt offenbar auch, dass eine Impfpflicht für medizinische Berufe das Gesundheitswesen durch eine Kündigungswelle ernsthaft gefährden könnte.
Am besten aus liberaler Sicht wäre ein Politiker, der aus Überzeugung Bürgerrechte verteidigt. Aber gleich danach kommt der geschmeidige Typus mit der späten Einsicht. Und ganz am Ende der Skala der Amtsinhaber, der aus Prinzip immer tiefer in die Sackgasse marschiert.
Die anderen Ministerpräsidenten sollten jetzt mehr söderschen Opportunismus wagen – und die Impfpflicht still beerdigen.
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