Der Krieg ist vielleicht nicht gerade, wie Heraklit sagte, der Vater aller Dinge. Aber zumindest ist der Zweite Weltkrieg mit der Vater des heutigen Finanzsystems.
Dieses ist nämlich auf dem Dollar als globaler Währung aufgebaut. Anfangs explizit durch die Bindung der US-Währung an das Gold, ab 1971 durch die schiere Kraft des Faktischen.
Fast 80 Prozent des Welthandels werden in Dollar abgewickelt, und für die meisten Zentralbanken der Welt stellen ihre Dollar-Bestände eine Überlebensversicherung im Falle von Währungskrisen dar. Das garantiert, dass es immer eine Nachfrage nach Dollar gibt, egal, wie gut oder schlecht die Geldpolitik der USA ist.
Länder, die von Transaktionen in US-Dollar ausgeschlossen sind, sind zu einem Paria-Dasein am äussersten Rande der Weltwirtschaft verdammt. Kuba, Nordkorea und Iran lassen grüssen.
Mit anderen Worten: Die Dominanz der amerikanischen Währung gibt der US-Regierung ihre schärfste wirtschaftliche Waffe in die Hand.
Mit einem Federstrich kann Washington unliebsame Firmen oder Länder in die wirtschaftliche Steinzeit katapultieren. Das musste die Bank Wegelin traurig erfahren. Schon die Drohung mit einem Ausschluss aus der Dollar-Welt genügte, um das Institut in die Knie zu zwingen.
Durch übermässigen Gebrauch wird aber auch das schärfste Schwert stumpf: Seit den Dollar-Sanktionen infolge der Krim-Annexion 2014 hat der Kreml zusammen mit China eifrig an internationalen Zahlungssystemen gewerkelt, die ohne das Dollar-Clearing auskommen.
Dass Russland für seine Gas-Exporte nur noch Rubel akzeptiert, reflektiert diese Bemühungen. Russische Banken im Westen können Rubel über die neuen, eigenen Systeme problemlos nach Russland schicken.
Der Kreml ist das eine – weltwirtschaftlich nicht gerade eine Quantité négligeable, aber auch nicht der grosse Bulldozer, der den Dollar plattwalzen kann.
Wichtiger ist China. Und die Chinesen locken ihre Handelspartner auf der ganzen Welt mit Dollar-Alternativen. Wie das Wall Street Journal vermeldet, finden zwischen der Regierung in Peking und dem Hause Saud ernsthafte Gespräche statt, die Öl-Exporte von Saudi-Arabien nach China zukünftig in Yuan abzuwickeln.
Ein Fanal und eine Zeitenwende: Die Währung Saudi-Arabiens ist seit Jahrzehnten an den Dollar gebunden. Washington hatte unter Präsident Nixon das Land im Gegenzug zu Sicherheitsgarantien im Jahre 1974 überzeugt, seinen gigantischen Ölhandel universell in Dollar zu fakturieren. Wenn sich Riad jetzt mit seinem grössten Abnehmer – 25 Prozent des saudischen Öls gehen nach China – auf einen anderen Modus eignet, könnte dies eine Kettenreaktion bewirken.
Denn jedes Land der Welt, das mit den USA nicht uneingeschränkt freundschaftlich verbunden ist, wird sich am Beispiel Russland so seine Gedanken machen.
Die wirtschaftlichen Sanktionen der Regierung Biden gegen Russland könnten so zum epochalen Bumerang werden und das Ende der weltweiten Dollar-Dominanz einläuten. Und wenn viele Zentralbanken auf die Idee kommen, dass man nicht mehr unbedingt grosse Dollar-Reserven horten muss, wäre auch ein kolossaler Kurssturz programmiert.
Die inflationäre Geld- und Schuldenpolitik, die Biden entschlossen verschärft, würde dann mit der Wucht eines Wirbelsturms die USA wirtschaftlich verwüsten. Und mit ihr den westlichen Kapitalismus.
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