«Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht», sagte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) in ihrem Statement zur russischen Invasion.
«Aufgewacht»?
Das wäre immerhin schon ein Fortschritt. Diese Welt nennt man Realität.
Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) wirkte in Tonlage und Haltung sichtlich angefasst, als er am Donnerstag vor die Presse trat: «Ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein düsterer Tag für Europa.» Dies sei Putins Krieg.
Was man so sagt, wenn die Wirklichkeit einem wie ein Eimer Wasser ins Gesicht schlägt.
Was jetzt zu tun ist, sagte Scholz nicht.
So ganz wach scheinen Scholz und seine Ampelisten aber noch immer nicht. In einer Zeit, als das Wünschen noch half, brach die Stärke des Rechts das Recht des Stärkeren. Waffen an die Ukraine liefern mag die Koalition noch immer nicht, Nord Stream 2 ist «ausgesetzt», nicht final gestoppt.
Deutschland ist so abhängig von russischem Gas wie nie und die Bundeswehr nichts, womit man wen abschrecken könnte. Die 5000 Helme für Kiew liegen allerdings abholbereit, und dass man sein Geschlecht selbst wählen könne, sei überfällig, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Ohne Bitterkeit ist all das nicht zu ertragen.
Christopher Clarks «Schlafwandler» vom Vorabend des Ersten Weltkriegs kommt einem in den Sinn und Stefan Zweigs «Welt von Gestern» über einen Globus ohne Kompass. Und wer gesehen hat, wie Putin seinen Auslandsgeheimdienstchef vor laufenden Kameras zum Bekenntnis zwang, der greift fröstelnd zu Arthur Koestlers «Sonnenfinsternis».
Der Wahnsinn grassiert. Der Wahnsinn marschiert. Aufwachen, Olaf!
Ralf Schuler ist Politikchef der Vius SE und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.
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