Am ersten Samstag nach dem Überfall auf die Ukraine sprach Emmanuel Macron um sieben Uhr morgens wie einst Churchill zu den französischen Bauern, die das Land ernähren. Am Nachmittag telefonierte er mit Putin, den er kennt. Auch am Sonntag markierte Macron Präsenz auf der Kommandobrücke, zu einem Zeitpunkt, als sich Joe Biden zum Golfen ins Wochenende verabschiedet hatte.
Macron telefonierte wiederholt mit Wolodymyr Selenskyj und weiterhin mit Wladimir Putin. Sie duzen sich. Dass sich Macron nicht von der anfänglichen «Demütigung» beirren liess, zeugt von seinem diplomatischen Format. Merkel ist weg, Scholz ein unbeschriebenes Blatt und Biden ebenfalls ein Neuling. Putin und Macron kennen sich seit fünf Jahren. Der russische Präsident kam zum 300. Jahrestag des Besuchs von Peter dem Grossen 1717 nach Paris. Macron führte ihn durch Versailles und den Louvre.
Die Bedeutung ihrer stundenlangen Gespräche wird dereinst die Historiker beschäftigen. Die Informationen, die Macron über das eisige Klima preisgab, haben das Bewusstsein bezüglich einer möglichen atomaren Eskalation geschärft.
Frankreich schickte Soldaten nach Rumänien, Waffen in die Ukraine – und schwieg. Noch am 6. März sprach Aussenminister Le Drian von ausschliesslich «defensivem Gerät und Treibstofflieferungen». Am Mittwoch enthüllte Le Monde, dass auch Panzerabwehrraketen aus den Beständen der französischen Armee geliefert und an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine übergeben wurden. Emmanuel Macron hatte die Nato als «hirntot» erklärt. Der Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, unterstreicht jetzt aber ihre Rolle als Verteidigungsbündnis. Dass die Europäer ihre Armeebudgets erhöhen, ist eine alte Forderung der Amerikaner. Gleichzeitig wächst die Einsicht in die Notwendigkeit einer gemeinsamen Armee. Die «kopernikanische Revolution» der Pazifisten in Deutschland ist ein Sieg der französischen Sicht auf die Welt – und Paris seit dem Brexit der einzige EU-Staat mit Kernwaffen. Es hat einen permanenten Sitz im Sicherheitsrat.
Europa hat eine Stimme. Es ist nicht jene von Ursula von der Leyen. Auch nicht die von Charles Michel – deren «Sofagate» Erdogan in peinlichster Erinnerung geblieben ist. Beim Ministerrat, den Frankreich im ersten Halbjahr präsidiert, hat ein Regierungschef nichts zu suchen. Doch anlässlich des Gipfels in Brüssel zum Kriegsausbruch war Macron da. Erstmals seit ihrer Gründung 1957 sieht sich die EU mit einer Kriegsdrohung konfrontiert. Macron ist zu ihrem unbestrittenen Kommandanten geworden.
Das wird auch nach dem Ende der französischen Präsidentschaft so bleiben. Der Krieg hat die Wahlen in Frankreich im Voraus entschieden. Vor dem Kriegsausbruch prophezeiten die Umfragen Macron im ersten Durchgang 25 – jetzt sind es 33 Prozent.
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