Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) will die Schweiz in den Uno-Sicherheitsrat führen. Das widerspricht dem Versprechen, das sein Parteikollege, der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger, der Schweizer Öffentlichkeit und der Völkergemeinschaft gemacht hat.

Am 10. September 2002 sprach Villiger vor der Uno-Generalversammlung aus Anlass des Schweizer Beitritts zu den Vereinten Nationen. Er sagte gemäss dem Protokoll, welches der Weltwoche exklusiv vorliegt: «Die Schweiz wird sich nicht an friedenserzwingenden Massnahmen beteiligen.» Damit schloss er eine Mitgliedschaft der Schweiz im Sicherheitsrat aus.

«Friedenserzwingende Massnahmen» (peace enforcement operations) werden vom Sicherheitsrat beschlossen. Geregelt sind sie in Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen. Es kann sich dabei um militärische (Artikel 42–51), aber auch um Wirtschafts- und andere nichtmilitärische Sanktionen handeln (Artikel 41).

Villiger begründete das Abseitsstehen der Schweiz mit der Neutralität. Sie sei «seit Jahrhunderten» eine Maxime der schweizerischen Aussenpolitik. Um auch zu Hause genau verstanden zu werden, sprach er in diesem Teil seiner Rede auf Deutsch.

Weil es unsinnig ist, dem Sicherheitsrat beizutreten, wenn man dessen Massnahmen nicht mittragen will, schloss Villiger damit eine Kandidatur für dieses höchste Gremium der Vereinten Nationen aus. Das bestätigen Schweizer Diplomaten, die mit den damaligen Überlegungen der Schweizer Regierung vertraut sind.

Zwanzig Jahre später bricht der Bundesrat, allen voran Bundespräsident Cassis, mit der bewährten Neutralitätspolitik der Schweiz. Und das mitten im Ukraine-Krieg.