Früher nannte man sie ad usum delphini: Bearbeitungen literarischer Werke «zum Gebrauch des Dauphins», des jungen Kronprinzen am französischen Königshof. Wobei Bearbeitung hiess: Entschärfung, Zensurierung nach den gerade geltenden Moralvorstellungen.
Dahin zurück, ins 17. Jahrhundert, möchte der Deutschlehrer Philippe Wampfler. Zu seinem Entsetzen ist er in Dürrenmatts Stück «Die Physiker» auf das N-Wort gestossen. Rassismus!
In zwei (!) Regieanweisungen verwendet Dürrenmatt das Wort «Neger», das 1961 andere Konnotationen hatte als heute. Für den Lehrer ist das Grund genug, zu twittern: «Ich werde ‹Die Physiker› so lange nicht mehr mit Schüler*innen lesen, bis der @diogenesverlag eine zeitgemässe Ausgabe rausbringt.»
Diogenes wird diesen Boykott verschmerzen können. Jedenfalls tat der Verlag das einzig Vernünftige: Er lehnte das Ansinnen ab. Andere – wie jüngst der Ravensburger Verlag (Winnetou) – haben woken Forderungen viel zu eilfertig nachgegeben.
Ein Deutschlehrer, der die Säuberung von Klassikern aufgrund aktueller Empfindlichkeiten fordert, ist etwa so überzeugend wie die amerikanischen Aktivisten, die der Mathematik den Rassismus austreiben wollen.
Der Unterricht sollte nicht darauf aus sein, Schülerinnen und Schüler vor unliebsamen Wörtern und Gedanken zu beschützen. Die Schule muss dazu befähigen, auch den Kränkungen und Zumutungen der Realität standzuhalten. Das gelingt nicht durch Verschweigen, sondern durch kritische Diskussion.
Die Kommentare auf weltwoche.ch dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.
Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Unzulässig sind Wortmeldungen, die
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.