Die Geschichte warf hohe Wogen: In einer Bibliothek beim Bahnhof Oerlikon lasen Drag-Queens aus Büchern für Kinder vor – und zwar nicht aus Märchen der Brüder Grimm oder aus Jugendromanen von Astrid Lindgren – sondern aus Werken wie «Julian ist eine Meerjungfrau» oder «Körper sind toll».
In diesen Büchern wird das Geschlechtsempfinden über die biologischen Merkmale gestellt.
Die Aufregung um die Veranstaltung war so gross, dass die Polizei die Bibliothek bewachen liess. Die Opposition, die eine Bewilligung für eine Demonstration beantragt hatte, wurde auf den Max-Frisch-Platz jenseits der Bahngeleise verbannt.
In Oerlikon fürchtete man sich um Leib und Leben – und wappnete sich vor randalierenden Neonazis, wild gewordenen Reichsbürgern und entfesselten Freihteits-Trychlern.
Alles nur Schall und Rauch. Journalisten, die auf eine rechtsextreme Formation in Heeresstärke gewartet (oder gehofft?) hatten, wurden bitter enttäuscht. Die Gegendemonstration, die sich einfand, bestand aus fünfzehn Personen und war als solche kaum zu erkennen.
Hört man einer der Initiantinnen, der Zürcher Heilpädagogin Irena Lampérth, zu, tönen ihre Argumente gegen Drag-Queens als pädagogische Samstagnachmittags-Aushilfen sehr plausibel: «Ich finde es gefährlich, wenn unsere Kinder in ihrem Geschlechtsempfinden verunsichert werden.» Lampérth plädiert für «eine Kindheit frei von Indoktrination, Geschlechtsverwirrung und Sexualsierung». Und sie schiebt nach: «Kinder dürfen sich nicht mehr als Indianer verkleiden, aber Drag-Queens dürfen Lesungen vor Kindern halten. Das ist absurd!»
Der Zuhörer kann diesen Argumenten nicht widersprechen. Und er sehnt sich in seine Kindheit zurück und ruft innerlich zur nächsten Demonstration auf: «Rettet Trudi Gerster, die gute alte Schweizer Märchenerzählerin!»
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