Sollte der «Hass» auf eine Volksgruppe oder Religionsgemeinschaft tatsächlich strafbar sein, wie einige unserer woken Ordnungshüter derzeit warnen, dürfte die tonangebende Zunft kollektiv auf der Anklagebank sitzen: Was sich derzeit an wahnhaftem Hass auf alles Russische über die Meinungs-Spalten ergiesst, kann nur noch tiefenpsychologisch erklärt werden.
Zum Beispiel, dass Tschaikowsky nicht aufgeführt werden darf, weil er Russe ist. (Gegen ihn übrigens ermitteln die woken Scharfrichter von ganz unerwarteter Seite: Der Chinesische Tanz in seiner «Nussknacker-Suite» ist kulturelle Aneignung schlimmster Sorte!)
Oder dass eine bisher in aller Welt gefeierte Operndiva entlassen wird wie auch ein Dirigent, eben weil sie Russen sind. Auch, dass russische Tennisspieler von Turnieren ausgeschlossen werden.
Doch jetzt hat sich der Wahn überschlagen: In der NZZ wird ein sogenannter «Dostojewskismus» für die Toten in Butscha verantwortlich gemacht.
Die Gewissensriesen, mit denen uns der Autor, dessen 200. Geburtstag gerade erst in begeisterten Feuilletons gefeiert wurde, die Abgründe der menschlichen Seele vorführte, all die Raskolnikoffs, Myschkins, Karamasows nur Ablenkungsmanöver, um Angriffskriege vorzubereiten?
Die NZZ allerdings scheint derzeit alles aufzusaugen, um gegen Putin aufzurüsten: Diesmal durfte sich die ukrainische Autorin Oksana Sabuschko austoben, die zweifelte, ob die russische Literatur «gerade in Zeiten des Überfalls» noch als europäisch wahrzunehmen sei. «Die russische Literatur hat fleissig an dem Tarnnetz für die russischen Panzer mitgeknüpft.»
Nach Ansicht der ukrainischen Autorin müsse es nun zu einem grossen Reinemachen kommen, etwa gegen die 91-jährige amerikanische Slawistin Suzanne Massie, die ein Buch über die Schönheiten Russlands geschrieben hat.
Ja, die ukrainische Autorin rast: «Es ist höchste Zeit, unsere Bücherregale langen und strengen Blickes durchzusehen.»
Also los! «Krieg und Frieden»? Tolstoi, auch ein Russe!
Aber offenbar von einem, der sich nicht entscheiden konnte.
Weg damit!
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