Die EU ruft den wirtschaftlichen Notfall aus.
Brüssel fühlt sich durch das 369 Milliarden Dollar schwere Förderprogramm Washingtons herausgefordert, mit dem US-Präsident Joe Biden der amerikanischen Industrie unter die Arme greifen will. Es soll der grünen Industrie im Rahmen des «Inflation Reduction Act» zugutekommen.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ist herausgefordert. Die europäische Industrie befürchte nämlich, dass sie von der amerikanischen Konkurrenz ausgelöscht werden könnte, falls die EU auf ein eigenes Subventionsprogramm verzichte, lassen sich zwei hochrangige EU-Beamte zitieren. Der EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, warnt gar, dass Bidens neues Subventionspaket eine «existenzielle Herausforderung» für die europäische Wirtschaft darstellt.
Nur: Die «existentielle Herausforderung» ist selbst verschuldet. Deshalb würden von der Leyens Milliarden im Wettbewerb gegenüber US-Firmen nicht viel helfen. Die EU und insbesondere Deutschland haben den Anschluss an Innovationen längst verloren. In der Union fehle es an Top-Forschung, High-Tech-Innovationen und Weltoffenheit, zeigen mehrere Studien.
So ist die EU im Ranking der weltweit besten Universitäten bloss mit drei Hochschulen vertreten. Oben auf der Liste sind britische Institutionen sowie die ETH (Platz 9) und die EPFL (Platz 16) anzutreffen. Die beste Hochschule in der EU schafft es aber bloss auf Platz 26.
In den vergangenen Jahren ist kein grosses europäisches Unternehmen entstanden. Von den weltweit über tausend Start-ups, die die Grenze von einer Milliarden Euro überschritten haben, haben lediglich 132 ihr Hauptquartier in Europa. Inzwischen gibt es in den USA fast neunmal mehr Einhörner als in Europa, so eine Studie des Crunch Base Unicorn Board.
Manager bestätigen die ernüchternden Zahlen. Die Position der EU als globale wirtschaftliche Grösse sei «zunehmend gefährdet», schrieb im März das Institut der deutschen Wirtschaft.
Im Vergleich zu Europas Wettbewerbern «treten wir auf der Stelle», sagte vor zwei Jahren der damalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf. Führungskräfte der deutschen Wirtschaft konstatierten im selben Jahr laut einer Bertelsmann-Studie einen «technologischen Rückstand» und bemängelten die «wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen» in der EU.
Deshalb sei die Frage erlaubt: Welche ist nun eigentlich die «existentielle» Bedrohung für die Industrie in der EU?
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