Falls Historiker einmal den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines aufarbeiten wollen, sei von hier eine Warnung an sie in die Zukunft geschickt: Glaubt nicht alles, was ihr an publizierten Geschichten über jenes Projekt, das Deutschland und Russland über eine Brücke aus Gas verbunden hatte, vorfindet.
Der Sabotageakt an diesem Jahrhundertprojekt im vergangenen September provozierte eine Berichterstattung in internationalen Medien, die nicht einmal eine Woche anhielt. Der Tenor in Deutschland war: Achselzucken.
Durch die Röhren floss sowieso seit Monaten kein Gas. Dann war es doch egal, ob sie kaputt waren oder nicht. Dass Deutschland eines seiner wichtigsten Infrastrukturprojekte, das auch die heimische Industrie mit Milliarden Euro errichtet hatte und das in einer Phase nach dem Krieg wieder Bedeutung hätte gewinnen können, damit verloren hatte – das war keine bohrende Recherche wert.
Anfragen im Bundestag, die unbeantwortet blieben, fanden sich allenfalls in Minimeldungen, weil sie von einer Oppositionspartei kamen, über die man nicht berichten wollte. Als fünf Monate später die erste breit recherchierte Story eines US-Investigativjournalisten auftauchte, der den Amerikanern die Hauptschuld an der Sabotage zuschob – herrschte 24 Stunden Schweigen. Anschliessend wurde der Autor belächelt.
Als schliesslich, von amerikanischen und deutschen Quellen gesteuert, die New York Times und ein Rechercheverbund deutscher Medien die haarsträubende Geschichte der Segeljacht Andromeda schilderten, die von einer Crew mit gefälschten Pässen, aber irgendwie geartetem ukrainischem Auftrag durch Nato-Gebiet zu den Pipelines geschippert sein soll, wo dann Taucher in siebzig Meter Tiefe die perfekte Sprengung mit Zeitzündung unternahmen, und anschliessend auf dem Esstisch der Jacht Sprengstoffreste vergassen, war die Medienresonanz riesig.
Liebe Historiker von morgen – deswegen nochmal die Warnung: Nehmt nicht alles für bare Münze, was ihr in den Medien von heute so entdecken könnt.
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