Die SRF-Sendung «Club» gestern Dienstagabend zur Frage, ob in der Krise der Egoismus stärker sei als die Solidarität, lieferte ein klares Urteil: Die Mehrheit der sechs Teilnehmer rief nach mehr Führung. Gegen Ende der Sendung haben sie sich gegenseitig bestärkt, ja angestachelt im Verlangen nach einer Autorität, die das Land führt.
Am extremsten war der Auftritt von Staatsrechtsprofessor Markus Müller von der Uni Bern. Die Krise zeige jetzt auf, was nicht gut laufe in einer Gesellschaft. «Diese Individualisierung, jeder schaut für sich, das schwelt schon lange in unserer Gesellschaft.» Und er habe das Gefühl, das liege auch an unserem Verfassungssystem.
Er möchte deshalb die Verfassung umschreiben.
In der Bundesverfassung seien vor allem Rechte enthalten, Rechte der Bürger. Pflichten dagegen seien nur wenige genannt, etwa Militärdienst-Pflicht und die Pflicht, Steuern zu bezahlen, aber sonst eigentlich kaum etwas. Allenfalls Appelle, auch Tugend und Solidarität walten zu lassen.
Aber, so Müller: «Der Grossteil der Menschen ist nicht solidarisch.» Quasi: Die Menschen passen nicht zur Verfassung. «Wir müssen viel früher ansetzen, wir müssen die Leute erziehen», sagte er.
«In der Verfassung kann man auch erziehen. Das ist ein Kanal unter vielen.»
«Ein Kanal unter vielen» – man musste dreimal zurückspulen, um das noch einmal anzuhören.
Die Verfassung als grundsätzlichstes Regelwerk der Gesellschaft, als Kompass für die grossen Fragen – das sei ein Kanal unter vielen, um die Leute zu erziehen?
In einer freiheitlichen Gesellschaft ist die Verfassung dazu da, den Bürger vor willkürlichen Übergriffen des Staates zu schützen.
Müller will die Verfassung einsetzen, um den Bürger zu erziehen, um ihm zu sagen, war er tun soll, ihn zu führen – sonst weiss er nicht, was richtig ist.
Aber klar, Müller sagt, das Menschenbild vom selbstbewussten, selbstbestimmten, selbstverantwortlichen Menschen tauge nichts.
Er lebt in einer anderen Welt.
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