Matthias Egger, Präsident des Schweizerischen Nationalfonds, macht sich Sorgen. Der Forschungsplatz Schweiz leide, weil er vom Forschungsprogramm Horizon der EU ausgeschlossen wird. Die Schweiz habe ohne das 100-Milliarden-Euro-Projekt «Horizon Europe» das Nachsehen.
Er hat zudem überhaupt kein Verständnis dafür, dass Schweden versucht, hiesige Forscher abzuwerben, sagt er in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Eggers Wehklagen passt indessen gar nicht zu den Realitäten.
Wer das Interview mit dem SNF-Präsidenten Matthias Egger liest, bekommt es mit der Angst zu tun. Die Schweiz, befürchtet er, verliere Forscher, weil Akademiker von jenen Institutionen abgeworben würden, die vom Projekt Horizon Europe profitieren. Besonders enttäuscht sei er von Schweden, meint er, weil die Schweden versuchen, «Forschende aus der Schweiz abzuwerben».
Über Eggers Bedenken kann man sich nur wundern. Nicht nur, weil der Akademiker noch gefunden werden muss, der sich nicht durch die Spitzenlöhne in Zürich, Lausanne oder Basel angezogen fühlt.
In Europa ist die Schweiz nach wie vor das innovativste Land. Das ist kein billiges Eigenlob, sondern der Befund der EU-Kommission. Mehr noch: Auch weltweit ist die Schweiz das innovativste Land, und zwar seit 2011, wie die Studie «Global Innovation Index» (GII) mit verblüffender Regelmässigkeit dokumentiert.
Das kommt nicht von ungefähr. Die Schweiz bietet Forschern hervorragende Bedingungen. An Finanzen fehlt es nicht. Der Nationalfonds erhält vom Bund jährlich eine Milliarde Franken überwiesen, für Forschung und Entwicklung stehen 23 Milliarden Franken (2019) zur Verfügung, wovon mehr als 65 Prozent aus dem privaten Sektor stammen.
Der Boykott der EU-Forschungsmanager ist also für die Schweiz kein Grund zur Beunruhigung. Wohl aber für die EU. Denn sie erweist sich aus mehreren Gründen einen Bärendienst.
Indem die EU starke Player – neben der Schweiz auch Grossbritannien – ausschliesst, schwächt sie den Wettbewerb unter den Forschern. Nicht nur in der Pharmaindustrie, sondern auch in den Bereichen Quantencomputer und -kryptografie spielt die Schweiz in der ersten Liga.
Die emeritierte ETH-Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, die bis 2013 Präsidentin des Europäischen Forschungsrates (ERC) war, fragt deshalb in einem Interview mit der Wiener Zeitung: «Mit wem tun wir uns sonst zusammen, wenn wir ein forschungsstarkes Europa wollen?»
Auch ohne Horizon Europe geht das Forscher-Leben weiter. Statt der Zusammenarbeit mit dem Bürokratie-Koloss der EU bieten sich zahlreiche Alternativen an. Dazu gehören Kooperationen mit einzelnen EU-Staaten, bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen mit den USA, Grossbritannien, Japan, Israel oder Südkorea.
Innovativ müssen eben nicht nur die Forscher sein, sondern auch diejenigen, die als Zuteilungsfunktionäre Forschungsgelder verteilen.
Und überhaupt, schreibt Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, in der neuen Weltwoche: «In vielen Fällen ist national finanzierte Förderung besser, da sie weniger bürokratisch und effizienter ist.»
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