Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) hat eine einzigartige Laufbahn als katholischer Priester und Theologe hinter sich. Er war bereits in jungen Jahren Professor, ab Januar 1967 in Tübingen, wo auch Hans Küng wirkte, der ihn empfohlen hatte. Beide hatten am 2. Vatikanischen Konzil teilgenommen und galten dort als «Teenager-Theologen». Ein gutes Jahr nach Ratzingers Amtsantritt in Tübingen brachen die Studentenunruhen aus. Er wechselte nach Regensburg, wo es gesitteter zuging.
Der Abschied von Tübingen hat Symbolwert. Küng hatte umfassende Reformvorschläge entwickelt. Ratzinger dagegen wollte die christliche Botschaft gegen Beliebigkeit und Gefährdungen schützen. Dies, zusammen mit seiner theologischen Begabung, führte ihn ins Bischofsamt in München und 1982 nach Rom. Er leitete die Glaubenskongregation und wurde 2005 Papst.
Wegen des Trends zur Säkularisierung ergab sich mit Beginn der siebziger Jahre ein Priestermangel. In der Folge wurde die Selektion nachlässig, sowohl was die Ausbildung als auch was den Charakter betraf. Eine der Folgen: Die Zahl der sexuellen Übergriffe durch Priester ist seit rund fünfzig Jahren erschreckend. Das Berufsprofil des Priesters zieht pädophile Männer an. Und die Vertuschung hat System.
Die Übergriffe wurden in einem Schreiben Ratzingers aus dem Jahr 2001 unter das päpstliche Geheimnis (secretum pontificium) gestellt. Dass nun Versäumnisse und Lügen aus seiner Zeit als Erzbischof zum Vorschein kommen, zeigt die Tragik eines Mannes, der einem System die Treue hielt, ohne die Begleitumstände angemessen zu beachten.
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