Duttweilerstrasse 11 im Zürcher Kreis 5. Da, wo sich sonst das Partyvolk in Richtung leichtes Vergnügen aufmacht, ist der Ukraine-Konflikt so stark spürbar wie sonst wohl nirgends in der Schweiz. Vor dem Bundesasylzentrum, einer von 22 solchen Einrichtungen in der Schweiz, drängen sich die Flüchtenden, um sich registrieren zu lassen – oder um bloss eine warme Suppe oder ein Bett für eine Nacht zu erhalten. Denisa aus Kiew, die mit ihrem Freund und dem neun Monate alten Baby schon sechs Stunden wartet, sagt: «Ich will so schnell wie möglich wieder nach Hause. Wir haben unser Leben in der Ukraine zurückgelassen.»
In den Gesichtern der Wartenden spiegeln sich Müdigkeit und Ohnmacht. Es scheint, als hätten sie ihre ganze Existenz in Koffer und Plastiksäcke gepackt. Auf einem Spielplatz klettern zwei Buben ein Netz hoch. Es ist ein Funken Normalität in einem Meer der Verzweiflung. Das Personal ist freundlich und zuvorkommend. Nur ein Ordner scheint mit seinen Nerven am Ende. Als eine Frau ein Bild von der wartenden Menge machen will, zwingt er sie, das Foto vom Handy zu löschen. Und als eine Gruppe Nordafrikaner lässig heranschlendert, weist er sie fluchend vom Platz.
Der Mann wird noch einiges kühles Blut brauchen. Bis zum Dienstagabend sind 5200 ukrainische Flüchtende in der Schweiz angekommen – meistens junge Frauen mit Kindern. Bundesrätin Karin Keller-Sutter rechnet bis Juni mit rund 50.000 Flüchtenden.
Bis jetzt haben 1360 Menschen aus der Ukraine den erstmals aktivierten Schutzstatus S beantragt – darunter auch Olga Tscherepowa und ihre Familie. Sie wartete am Montag über acht Stunden – und konnte schliesslich das ersehnte Formular ausfüllen. Ihre Aussage, dass sie schon eine Unterkunft in Aussicht habe, wurde genau überprüft. Ein besonderes Augenmerk hat das Personal auf allein ankommende Frauen gerichtet. Was aus Deutschland zu hören ist, macht auch in der Schweiz die Runde: Menschenhändler und Zuhälter wollen von der Situation profitieren. Deshalb hat die Schweizer Flüchtlingshilfe eine klare Weisung herausgegeben: Frauen, die auf sich selber gestellt sind, werden auf keinen Fall Wohnungen von alleinstehenden Männern zugewiesen.
Die Kommentare auf weltwoche.ch dienen als Diskussionsplattform und sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird. Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels oder wo angebracht an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Persönlichkeitsverletzende und diskriminierende Äusserungen hingegen verstossen gegen unsere Richtlinien. Sie werden ebenso gelöscht wie Kommentare, die eine sexistische, beleidigende oder anstössige Ausdrucksweise verwenden. Beiträge kommerzieller Natur werden nicht freigegeben. Zu verzichten ist grundsätzlich auch auf Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen), wobei die Online-Redaktion mit Augenmass Ausnahmen zulassen kann.
Die Kommentarspalten sind artikelbezogen, die thematische Ausrichtung ist damit vorgegeben. Wir bitten Sie deshalb auf Beiträge zu verzichten, die nichts mit dem Inhalt des Artikels zu tun haben.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Unzulässig sind Wortmeldungen, die
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Online-Redaktion behält sich jedoch vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Es besteht grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.